Diakoniewerk München-Maxvorstadt muss Geschäftsbetrieb einstellen – Klinik und Therapiezentrum schließen bereits zum Jahresende

  • Anhaltende Defizite, Personalmangel, geringe Auslastung und Investitionsstau als Grund
  • Gläubigerausschuss und Mitarbeitervertretung haben bereits zugestimmt

München, 22. Oktober 2024. Das Diakoniewerk München-Maxvorstadt KdöR I.IN (DMM) muss seinen Geschäftsbetrieb einstellen. Wie der vom Amtsgericht München bestellte Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Dr. jur. Philip Heinke von der Kanzlei JAFFÉ Rechtsanwälte Insolvenzverwalter, im Anschluss an eine Mitarbeiterversammlung mitteilte, blieb aufgrund der anhaltend hohen Defizite in den wesentlichen Geschäftsbereichen und der mit unter 50 Prozent zu niedrigen Auslastung der Klinik keine andere Wahl. Darüber hinaus hat sich über die Jahre ein Investitionsstau aufgebaut, der in der Insolvenz mangels finanzieller Mittel nicht beseitigt werden konnte.

Das DMM, mit einer Geschichte von über 150 Jahren eine der ältesten evangelischen Institutionen Münchens, hatte Ende November 2023 Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit stellen müssen. Im Insolvenzantrag wurden verschiedene Krisenursachen genannt. So hat sich die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser in Deutschland in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. 2022 erwirtschafteten rund 70 Prozent der Krankenhäuser Defizite, mit steigender Tendenz. Die Reduzierung stationärer Leistungen, infolge des Ukrainekrieges und der Inflation in den letzten Jahren deutlich gestiegene Energie- und Sachkosten und die erheblich angewachsenen Personalkosten zusammen mit der unzureichenden Finanzierung der Krankenhausinvestitionen durch die Länder belasten die Kliniken stark. Auch im Bereich der stationären Altenpflege hat sich die Situation dramatisch zugespitzt. Nach vorläufigen Zahlen sind im Jahr 2023 in Deutschland 783 Heime in die Insolvenz gegangen. Das sind etwa zwei pro Tag.

Neben der allgemein schwierigen Situation für vergleichsweise kleine Kliniken und Pflegeeinrichtungen machte sich auch der Fachkräftemangel im Pflegebereich massiv negativ bemerkbar. Er hatte im Falle des DMM zur Folge, dass aufgrund der vorgeschriebenen Fachkraftquote vorhandene Kapazitäten nicht genutzt werden konnten, die Auslastung im Klinikbetrieb auf unter 50 Prozent sank und damit nicht ansatzweise kostendeckend war. Bei einer Auslastung von zuletzt etwa 85 Prozent blieb auch der Bereich Altenpflege des DMM hoch defizitär.

Zuletzt siebenstellige Verluste

„In den letzten Wochen wurde klar, dass es für keinen der vom Diakoniewerk unterhaltenen Betriebsteile in dem derzeitigen medizinischen Umfeld eine Zukunftschance gibt. Auch hat angesichts der Zahlen niemand Interesse an einer Übernahme bekundet“, berichtete der Insolvenzverwalter in der Mitarbeiterversammlung.

Vor diesem Hintergrund blieb keine andere Wahl als den gesamten Betrieb

stillzulegen. Bei Klinik und Therapiezentrum soll dies zum 31.12.2024 erfolgen. Die Abteilung der Geriatrischen Rehabilitation wird zum 31.01.2025 geschlossen. Der Bereich der stationären Altenpflege und das „Rüstige bzw. Betreute Wohnen“ folgt voraussichtlich bis zum 31.03.2025. Für die aktuell 73 Bewohner*Innen sollen davor alternative Wohn- bzw. Versorgungsmöglichkeiten gefunden werden. Wie es mit der  angeschlossenen Berufsfachschule für Krankenpflegehilfe und den dortigen Auszubildenden bzw. Lehrkräften weitergeht, muss noch kurzfristig mit der zuständigen Schulbehörde geklärt werden.

„Seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben wir intensiv und in ständiger Abstimmung mit der Geschäftsleitung nach einer Sanierungslösung gesucht und den Betrieb über neun Monate trotz der äußerst schwierigen Rahmenbedingungen  unter Insolvenzbedingungen aufrechterhalten. Dies wäre ohne die hervorragende Unterstützung der Mitarbeitenden nicht denkbar gewesen. Die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Zeit wie auch eine Überprüfung aller Alternativen hat jedoch gezeigt, dass die Klinik durchgehend defizitär ist und auch das Therapiezentrum laufend erhebliche Verluste produziert. Zudem können die neuen Anforderungen aus der zum 01.01. 2025 in Kraft tretenden Krankenhausreform des Bundes und die Vorgaben des Krankenhauszukunftsgesetzes nicht umgesetzt werden, da dafür die Geldmittel nicht vorhanden sind. Darüber hinaus zeigte sich, dass auch die übrigen Geschäftsbereiche nicht wirtschaftlich geführt werden können. Jetzt wollen wir die geordnete Schließung in Abstimmung mit der Mitarbeitervertretung angehen, wobei auf die Patienteninteressen bestmöglich Rücksicht genommen werden soll,“ so Insolvenzverwalter Dr. Philip Heinke.

Die Umsetzung der Schließung führt letztlich zur Beendigung sämtlicher zuletzt noch 274 Dienstverhältnisse. Ein Abwicklungsteam wird über die angedachten Schließungstermine hinaus beschäftigt bleiben. Derzeit laufen auch bereits die Verhandlungen über einen Insolvenzsozialplan. Der Gläubigerausschuss, dem auch eine Vertreterin der Mitarbeitenden angehört, hat der Schließung bereits zugestimmt.

„Wir haben zusammen mit der Insolvenzverwaltung und der Mitarbeitervertretung alle Möglichkeiten für eine Sanierungslösung, auch in abgespeckter Form, durchgespielt und geprüft. Am Ende steht nun aber die Erkenntnis, dass eine Fortführung des Betriebs leider nicht möglich ist. Wir bedauern das sehr, müssen diese Realität aber akzeptieren. Das ist schlimm und stimmt uns traurig, nicht zuletzt deshalb, weil alle Mitarbeitenden dem DMM sehr verbunden sind und die Qualität in allen Bereichen sehr hoch ist. Jetzt geht es darum, den Betrieb bestmöglich geordnet herunterzufahren,“ so Eva-Maria Matzke, Vorständin der DMM, und ihre Stellvertreterin und Pflegedirektorin Karin Ploch. „Der Dank der Insolvenzverwaltung und der Geschäftsführung gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit großem Engagement alle Bemühungen zur Erhaltung des Diakoniewerks unterstützt haben.“ 

Weitere Informationen:

Das Diakoniewerk München-Maxvorstadt geht zurück auf die am 11. Mai 1867 gegründete Diakonissenanstalt von Pfarrer Wilhelm Löhe. Im Jahre 1869 wurde diese per königlichem Dekret zur juristischen Person erklärt und wird seither als Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) geführt. Das Diakoniewerk hat laut Satzung die Aufgabe, christliche Nächstenliebe durch den helfenden Dienst seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verwirklichen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe betreibt das Diakoniewerk vor allem Einrichtungen für kranke, alte und pflegebedürftige Menschen, Ausbildungsstätten und Wohnheime.

Im Jahre 1957 wurde das Haus 1, welches ein Wohnpflegeheim beherbergte, in Betrieb genommen, im Jahre 1963 folgte der Klinikneubau, 1976 wurde das Haus 2 mit Seniorenwohnheim und Pflegestation eingeweiht. Im Jahr 1981 folgte die Eröffnung des ambulanten Therapiezentrums und 1988 eine umfassende Sanierung des Krankenhauses. Im Jahre 2005 wurde die Abteilung der Geriatrischen Rehabilitation mit 42 Plätzen eröffnet. Zwei Jahre später folgte die Eröffnung der Hauptabteilung Innere Medizin/Akutgeriatrie. Der Klinikbetrieb wurde in den folgenden Jahren sukzessive um die Hauptabteilung Innere Medizin/Schmerzmedizin, die Hauptabteilung Chirurgie und Endoprothetik erweitert. 2010 wurde die Bettenkapazität der Klinik von 62 auf 87 Betten erhöht. Von Beginn an gab es eine Senioreneinrichtung, die zuletzt einen vollstätionären Versorgungsvertrag mit 97 Plätzen hatte und Betreutes Wohnen anbot. Weiterhin wird eine Berufsfachschule für Krankenpflegehilfe seit 1977 betrieben. Das DMM erwirtschaftete in den vergangenen Jahren bei Umsätzen in der Größenordnung von rund 25 Millionen Euro mit über 300 Mitarbeiter*Innen steigende Verluste im siebenstelligen Bereich.

Dr. jur. Philip Heinke ist Wirtschaftsmediator sowie Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht und wird seit über fünfzehn Jahren überregional als Insolvenzverwalter bestellt. Er verfügt über umfangreiche Erfahrungen in Bezug auf Betriebsfortführungen von Unternehmen verschiedenster Branchen sowie in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren ebenso wie in Kapitalanlageverfahren.

Die Kanzlei JAFFÉ Rechtsanwälte Insolvenzverwalter ist seit mehr als zwei Jahrzehnten eine der führenden Kanzleien auf den Gebieten Insolvenzverwaltung, Insolvenzrecht sowie Sanierung (nach dem ESUG), insbesondere in komplexen und grenzüberschreitenden Verfahren. Eine wichtige Grundlage dafür ist die regelmäßig gerade bei komplexen Verfahren gefragte langjährige Erfahrung, Kompetenz und Unabhängigkeit. Nicht zuletzt deshalb genießt die Kanzlei seit Jahrzehnten das Vertrauen von Gerichten und Gläubigern gerade in schwierigen Verfahren, in denen widerstreitende Interessen der Beteiligten bestehen. Die Kanzlei kann mit ihrer eigenen leistungsstarken und über Jahre gewachsenen Struktur Verfahren jeder Größenordnung im Interesse der Gläubiger begleiten.