Titel | INDat Report 09_2024 | November 2024

Zur Bestellung von Frauen in das Insolvenzverwalteramt

Unvereinbarkeit von Höchstpersönlichkeit und Mutterschutz

In seiner Ausgabe 03_2023 hat der INDat Report im Titelbeitrag die »Gläserne Decke für Insolvenzverwalterinnen« ausführlich behandelt. Diese Wahrnehmung liegt nicht fern. Auf jeder Fachtagung von Insolvenzverwaltern fällt ins Auge, dass nur wenige Frauen in das Amt des Insolvenzverwalters bestellt werden. Dass der Eindruck nicht trügt, zeigt ein Blick auf die Zahlen aus den Jahren 2022 und 2024 – Frauen sind im Insolvenzverwalteramt tatsächlich nur in geringer Anzahl vertreten: Befand sich unter den Top-50-Insolvenzverwaltern nach Umsätzen im Jahr 2022 lediglich eine Insolvenzverwalterin, sind auch in der Halbjahresstatistik 2024 unter den Top-30-Verwaltern nach Umsätzen nur zwei Frauen aufgeführt. Insbesondere in namhaften Verfahren kommen Insolvenz­verwalterinnen kaum vor. Doch warum finden nur wenige Frauen den Weg in das Insolvenzverwalteramt, während der Frauenanteil in anderen Branchen zunehmend steigt? An der »gläsernen Decke« kann dies kaum liegen, die auch in anderen Branchen benannt wird, in denen dennoch die Frauenquote in den letzten Jahren substanziell steigt. Die Decke in der Insolvenzverwaltung scheint daher nicht gläsern zu sein, sondern aus Beton – und das mehr aus rechtlichen als aus tatsächlichen Gründen, denn die Ursache für den besonders niedrigen Frauenanteil liegt in einer strukturellen Besonderheit des Insolvenzverwalteramts: der Höchstpersönlichkeit. 

Text: Josefine Schachtner und Martin Lambrecht

  1. Zur Höchstpersönlichkeit

Gem. §  56 InsO ist zum Insolvenzverwalter »eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen […]«. Eine Bestellung juristischer Personen zum Insolvenzverwalter ist nicht möglich. Dieses Höchstpersönlichkeitsdogma ist im deutschen Insolvenzrecht tief verwurzelt. Bereits 1985 lehnte die Kommission für Insolvenzrecht eine Zulassung juristischer Personen zur Bestellung als Insolvenzverwalter ausdrücklich ab. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren verzichtete der Gesetzgeber mit Rücksicht auf »Haftungs- und Aufsichtsprobleme« sowie drohende Interessenkollisionen darauf, die Bestellung juristischer Personen zum Insolvenzverwalter durch eine entsprechende gesetzliche Regelung zu ermöglichen. Auch bei Schaffung des StaRUG wurde in Hinsicht auf die Person des Restrukturierungsbeauftragten an der Höchstpersönlichkeit festgehalten.

Worauf sich die Höchstpersönlichkeit der Aufgabenwahrnehmung genau erstreckt, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Jedenfalls soll der Insolvenzverwalter das schuldnerische Unternehmen leiten und die wesentlichen Entscheidungen im Verfahren treffen. Zudem fallen die Forderungsprüfung und das Bestreiten von Forderungen (§  176 InsO) sowie die Erklärung über die Gestaltung von Rechtsgeschäften, insbesondere die Erfüllungswahl (§  103 InsO), in das höchstpersönlich wahrzunehmende Tätigkeitsfeld des Insolvenzverwalters, ebenso die gerichtlichen Termine wie Gläubigerversammlungen und Prüfungstermine. Diese insolvenzverfahrenstypischen Handlungen, die der Schuldner nicht selbst vornehmen kann, können nur durch den Insolvenzverwalter höchstpersönlich vorgenommen werden. Nimmt der Verwalter die ihm höchstpersönlich übertragenen Aufgaben entgegen seiner Pflicht nicht selbst wahr, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit der vorgenommenen Rechtsgeschäfte. Eine Vertretung des Insolvenzverwalters bei der Wahrnehmung des Rechts nach §  103 Abs.  1 bzw. 2 InsO ist dann unzulässig, wenn die Rechtsausübung nicht erkennbar auf seine eigene Willensbildung zurückzuführen ist, andernfalls würde es zu einer unzulässigen partiellen Amtsübertragung kommen. Das Insolvenzgericht kann derartige Fehler berücksichtigen, um ggf. Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen oder von seiner gerichtlichen Entlassungsbefugnis nach §  59 InsO Gebrauch zu machen.

Dieser Beitrag geht auf eine Forderung eines Insolvenzgerichts nach höchstpersönlicher Amtswahrnehmung und der Androhung von Konsequenzen, wenn dies nicht erfolgt, zurück. Die Nachfrage nach der Insolvenzverwalterin für die Abstimmung eines Termins für eine Gläubigerversammlung wurde von einem Sozius dahin gehend beantwortet, dass die Insolvenzverwalterin vor zwei Tagen Nachwuchs entbunden habe und er daher den Termin wahrnehmen würde. Statt eines Glückwunschs zum Nachwuchs wies das Gericht auf die Höchstpersönlichkeit des Amts hin, der Sozius erneut auf die Entbindung zwei Tage zuvor. Das beeindruckte das Gericht wenig, es beharrte auf das höchstpersönliche Erscheinen. Das verbietet jedoch zwingendes Recht zum Schutz von Mutter und Kind. Wenngleich – und das ist an dieser Stelle zu betonen – die meisten Gerichte mit einer Vertretung kein Problem haben und dies sehr pragmatisch und konstruktiv handhaben, stellt sich das Rechtsproblem mit der faktischen Auswirkung auf die Berufswahl.

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Inhalt

Die kommende Ausgabe INDat Report 10_2024 erscheint am 18.12.2024.

Am 27.11.2024 ist Anzeigenschluss, alle weiteren Termine finden Sie auf www.der-indat.de.

Aktuelle Ausgabe: 07.11.2024
Umfang: 92 Seiten

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