– Zurückhaltung von Gläubigern schwindet mit Normalisierung der Wirtschaftstätigkeit –
Berlin, 02.06.2021 Mit den Lockerungen der pandemiebedingten Maßnahmen beginnt für viele Unternehmen – besonders in den schwer betroffenen Branchen wie Gastronomie und Einzelhandel – eine entscheidende Zeit. Sie müssen mit Schulden aus Krediten, aber auch Mietrückständen oder Forderungen anderer Vertragspartner umgehen. Gleichzeitig sehen sie sich mit neuem Finanzbedarf für die Wiederaufnahme des Geschäfts oder notwendige Modernisierungsmaßnahmen konfrontiert. Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) müssen Unternehmer und Geschäftsleiter gerade jetzt die Finanzierung des Geschäfts im Blick behalten und gegebenenfalls neu aufstellen. Belastungen aus der Vergangenheit können andernfalls eine Fortführung verhindern.
„Die Erwartung, dass es mit der Rücknahme der Maßnahmen allen Unternehmen wieder gut geht, wäre trügerisch“, erklärt Rechtsanwältin Dr. Anne Deike Riewe, stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft. „Viele Vertragspartner, die in den letzten Monaten zu Stundungen bereit waren oder ihre Forderungen jedenfalls nicht nachdrücklich verfolgt haben, werden ihr Verhalten nun auch ändern und mehr Druck ausüben.“ Zugleich würden weiter bestehende Beschränkungen wie die Notwendigkeit von Hygienekonzepten, aber auch Schwierigkeiten in den Lieferketten oder bei der Neugewinnung von Personal die Umsatz- und Gewinnaussichten vieler Unternehmen noch trüben.
„Für viele Unternehmen wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen, ob und wie sie diese Krise überstehen können“, so Riewe. Gerade mit Blick auf bestehende Schulden sei es wichtig, diese jetzt nicht zu vernachlässigen, sondern realistisch zu betrachten und eine zukunftsfähige Lösung zu entwickeln. Dabei sei zunächst zu beachten, dass die Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit wie auch bei insolvenzrechtlicher Überschuldung seit dem 1. Mai 2021 wieder uneingeschränkt gelte. „Im eigenen Interesse sollten sich Unternehmer und Geschäftsleiter mit ihrer aktuellen finanziellen Situation kritisch auseinandersetzen und sich gegebenenfalls proaktiv darum kümmern, Lösungen mit ihren Gläubigern zu finden, bevor diese Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreifen“, erklärt Susanne Eva Dörrwand, Geschäftsführerin der IHK Magdeburg. Verhandlungslösungen seien in aller Regel im Interesse beider Seiten.
Sind allerdings die bestehenden Belastungen aus Schulden oder auch aus heutiger Perspektive nachteiligen Vertragsverhältnissen zu hoch oder scheitern Gespräche, bietet das Restrukturierungs- und Insolvenzrecht Ansätze für einen Neustart. „Wichtig ist jedoch, dass diese Instrumente die Redlichkeit des Schuldners voraussetzen“, betont Riewe. „Es wird vom Schuldner erwartet, dass er rechtzeitig handelt und die Interessen der Gläubiger berücksichtigt.“