23. Februar 2022. München. Nur eine leichte Trendwende verzeichnete das vierte Quartal 2021 bei den Insolvenzanträgen. Insgesamt mussten 19 Großunternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro bei den deutschen Insolvenzgerichten einen Antrag stellen. Das sind drei Anträge mehr als noch im Vorquartal – ein Plus von 19 Prozent. Gegenüber dem Vorjahresquartal fielen allerdings die Anmeldezahlen um 51 Prozent, so der Finance-Insolvenzreport von Falkensteg. Noch vor einem Jahr stellten insgesamt 39 Unternehmen im letzten Quartal des Jahres 2020 einen Antrag. Die vielfach befürchtete Insolvenzwelle blieb damit auch im Jahr 2021 aus.
Mit insgesamt acht Insolvenzen waren die Zulieferer im Automotive-Bereich Spitzenreiter des vierten Quartals. Zudem fiel damit die Hälfte der Jahresinsolvenzen in dieser Branche in die Monate Oktober bis Dezember. Alle anderen Branchen verzeichneten dagegen Rückgänge. Hinter den Zulieferern folgen die Kunststoff-Teilehersteller (3 Insolvenzen) und Unternehmen aus der Nahrungsmittelerzeugung (2). Zu den umsatzstärksten Insolvenzen im vierten Quartal 2021 gehören der Modehändler Orsay, der Hersteller von Aluminium-Gussteilen Borbet Solingen, der Kunststoffproduzent Henniges Automotive und der Autozulieferer Presswerk Krefeld.
Neustart für jedes dritte Unternehmen
Insgesamt mussten im zweiten Pandemiejahr 69 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen. Davon ist bei 21 Firmen, das sind rund 30 Prozent, bereits im Antragsjahr der Neustart gelungen. Jedes fünfte insolvente Unternehmen wurde durch eine übertragene Sanierung gerettet und bei sieben Firmen konnten mit den Gläubigern eine Einigung über einen Insolvenzplan erzielt werden. Zum Vorjahreszeitpunkt lag die Rettungsquote für Insolvenzen aus 2020 schon bei 36 Prozent. Allerdings ist diese Quote ungewöhnlich hoch. Durchschnittlich gab es vor der Corona-Pandemie lediglich für 27 Prozent der Unternehmen schon eine Lösung im Antragsjahr. Kaum eine Chance auf eine Fortführung haben dagegen die 15 Firmen, deren Betrieb bereits eingestellt oder in deren Verfahren Masseunzulänglichkeit angemeldet wurde. Offen ist noch rund die Hälfte aller Verfahren (33) aus 2021. Damit kann sich die Rettungsquote noch deutlich erhöhen.
Trotz Rettungsweste untergehen
In den ersten Wochen des Jahres 2022 ist ein deutliches Anziehen der Insolvenz- und Restrukturierungsfälle zu erkennen. Getrieben sind diese Fälle von den erheblichen Steigerungen der Energie- sowie Frachtpreise und Kosten für Vormaterial. Diese bereits im letzten Jahr entstandenen Belastungsfaktoren haben die Liquiditätspuffer in den Unternehmen nun häufig aufgebraucht.
Die bisherigen Hilfsmaßnahmen kompensieren im Wesentlichen die Umsatzausfälle. Zwar werden Kurzarbeit und Überbrückungshilfen bis Sommer 2022 verlängert, jedoch reichen sie für die neuen Belastungen nicht aus. „Die Auftragsbücher sind voll. Allerdings weichen die im Angebot kalkulierten Kosten von den derzeitigen Kosten deutlich ab und Nachverhandlungen sind in den wenigsten Fällen so einfach möglich“, erklärt Sanierungsexperte und Studienautor Jonas Eckhardt. In der Folge laufen die betroffenen Unternehmen in eine Liquiditätsunterdeckung und später in eine Insolvenzantragspflicht. „Das kann dazu führen, dass auch Unternehmen, die Hilfsmaßnahmen erhalten, trotz Rettungsweste untergehen“, ergänzt Eckhardt. Der Anstieg der Insolvenzzahlen hänge im Wesentlichen davon ab, wie lange die genannten Belastungsfaktoren anhalten.
Über den Insolvenz-Report „5 nach 12“
Die Restrukturierungsberatung Falkensteg recherchiert für den Insolvenz-Report alle drei Monate das Insolvenzgeschehen. Dazu werden Informationen des Insolvenz-Portals, der Creditreform, des Statistischen Bundesamtes sowie von Insolvenzverwaltern ausgewertet und mit eigenen Analysen ergänzt. Während andere Statistiken die eröffneten Insolvenzzahlen auswerten, konzentriert sich der Insolvenz-Report auf den früheren Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung. Durchschnittlich liegt zwischen der Anmeldung und der Eröffnung ein Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Damit dient der Insolvenz-Report als Frühindikator bei den Großinsolvenzen.