Im letzten Quartal des Jahres 2024 ist die Zahl der Insolvenzanmeldungen sprunghaft angestiegen. Insgesamt mussten 64 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro Insolvenz anmelden, das sind 31 Prozent mehr als im Vorquartal und im Vorjahreszeitraum. Damals waren es jeweils 49 Unternehmen. Das Jahresschlussquartal gilt als eines der höchsten seit zehn Jahren, so der Insolvenzreport der Restrukturierungsberatung Falkensteg.
Die Insolvenzen konzentrieren sich vor allem auf Unternehmen in der Umsatzklasse zwischen 20 und 50 Millionen Euro, wo 34 Insolvenzanträge gestellt wurden. Auch in der Kategorie über 100 Millionen Euro stieg die Zahl auf insgesamt 16 Fälle. Besonders betroffen sind Automobilzulieferer mit 13 Insolvenzen, gefolgt von Herstellern von Metallerzeugnissen und Immobilienunternehmen (11 Insolvenzen).
Die Gesamtentwicklung ist alarmierend, da es sich um den vierten Anstieg in Folge handelt und die Insolvenzen für das Jahr 2024 auf den Rekordwert von 202 Verfahren ansteigen lässt – ein Plus von 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
„Die deutliche Zunahme der Unternehmensinsolvenzen ist sowohl ein Symptom als auch eine Ursache für den Vertrauensverlust in die wirtschaftliche Stärke des Landes“, erklärt Studienleiter und Falkensteg-Partner Jonas Eckhardt. Ein Grundproblem seien die fehlenden Investitionen in Innovation und Modernisierung. Von 2022 bis 2023 fehlen Ausgaben in neue Produktionsanlagen, Maschinen, IT-Ausstattung, Gebäude und Infrastrukturen im Wert von 100 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr 2024 kommen laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) weitere 40 Milliarden Euro an fehlenden Investitionen hinzu. „Die Unsicherheiten aufgrund der geopolitischen Entwicklungen und des politischen Vakuums haben dazu geführt, dass Unternehmen ihre Investitionsausgaben deutlich zurückfahren. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, muss die neue Regierung schnellstmöglich klare politische Signale und wirtschaftliche Reformen auf den Weg bringen, die die Investitionsbereitschaft stärken“, erklärt Eckhardt.
Weniger Verfahrenslösungen im vierten Quartal 2024
Die Zahl der Verfahrenslösungen hat im vierten Quartal drastisch abgenommen. Nach einem Anstieg in den vorangegangenen Quartalen fiel sie von 43 auf lediglich 26. Insbesondere sank die Anzahl der positiven Ausgänge um mehr als ein Drittel auf nur noch 19 Fälle. Sieben Unternehmen droht das endgültige Aus. Die Rettungsquote für Unternehmen, die im Jahr 2023 Insolvenz anmeldeten, liegt inzwischen bei 51 Prozent. Im Vergleich zu Ende 2023, als die Überlebensquote mit 61 Prozent um 10 Prozentpunkte höher lag, bedeutet dies jedoch einen Rückgang.
„Steigende Verfahrenszahlen und weniger Lösungen werden uns auch im Jahr 2025 begleiten, da mögliche Reformen erst gegen Ende des Jahres in der Wirtschaft ankommen werden. Die Insolvenzen werden daher um weitere 25 Prozent auf über 450 Anträge zunehmen“, prognostiziert Restrukturierungsexperte Jonas Eckhardt.
Prof. Dr. Martin Gornig: Standort Deutschland muss wieder effizienter werden
Deutschland ringt mit wirtschaftlichen Herausforderungen – Energiekrise, Deindustrialisierung und Investitionsblockaden. Forschungsdirektor Professor Dr. Martin Gornig vom DIW Berlin skizziert im Insolvenzreport mögliche Lösungsansätze. Er plädiert für ein koordiniertes Handeln von Staat und Wirtschaft, um Schlüsseltechnologien wie Elektromobilität, Künstliche Intelligenz und modulare Produktion voranzutreiben. „Grundsätzlich müssen Unternehmer Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung haben, um größere Anschaffungen zu tätigen. Mit klarer Kommunikation und verlässlichen Rahmenbedingungen anstatt Subventionsdschungel kann die Politik einen wichtigen Beitrag leisten“, meint Prof. Gornig.