Titelthema | INDat Report 01_2021 | Januar 2021

Gesamtjahresstatistik 2020 und Redaktion aktuell

Konzentriert nach dem StaRUG

Köln. Die Gerichtskonzentration in Restrukturierungs- und Sanierungsmoderationssachen nach dem StaRUG ist umgesetzt, wenngleich die Bundesländer die eröffneten Möglichkeiten nicht vollends ausgeschöpft haben. §  34 StaRUG (Restrukturierungsgericht; Verordnungsermächtigung) regelt die Zuständigkeit in den 24 OLG-Bezirken (jeweils das Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts oder ein anderes für Regelinsolvenzen zuständiges Amtsgericht), doch der Gesetzgeber bietet den Ländern auch die Option, eine Konzentration über die Landesgrenzen hinaus vorzunehmen (§  34 Abs.  2 Satz 3); ein Passus, der im Übrigen auf Betreiben des Bundesrates Einzug in das StaRUG gefunden hatte. Allerdings macht bislang kein Bundesland davon Gebrauch. Die Landes­justizministerien von Bayern, des Saarlandes und von Thüringen erwähnen diese Option bei der erfolgten Anfrage aller Länder bezüglich der Umsetzung von §  34 StaRUG zumindest dahingehend, dass über »die Ausschöpfung weitergehender Optionen« bislang noch nicht entschieden worden sei (Thüringen) bzw. die Installation eines gemeinsamen länderübergreifenden Restrukturierungsgerichts aktuell nicht geplant sei (Saarland). Eine weitergehende Konzentration sei nicht veranlasst, so das Bayerische Staatsministerium der Justiz, »denn die Bezirke der drei Restrukturierungsgerichte sind so groß, dass Fallzahlen zu erwarten sind, die die Herausbildung der erforderlichen Expertise und Erfahrung ermöglichen«. Was die Zuständigkeitsumsetzung an den betreffenden Amtsgerichten anbelangt, veröffentlicht eine Reihe der Gerichte ihre richterlichen Geschäftsverteilungspläne (GVP) nicht auf ihrer Homepage. Einzelne Amtsgerichte nennen auch auf Nachfrage die zuständigen Richter nicht namentlich. Die Übersicht führt zudem auf, ob beim betreffenden Restrukturierungsgericht das Turnus- bzw. Endzifferprinzip oder die Buchstabenzuteilung (nach Anfangsbuchstaben) für Restrukturierungs- und Sanierungsmoderationssachen gilt.*
Zusammenstellung/Recherche: Peter Reuter

(…)

Editorial | Peter Reuter | INDat Report 01_2021 | Januar 2021

Ein ziemlich hoher Preis

Verwirrung par excellence: Wer glaubt ernsthaft noch, dass ­ein Geschäftsführer eines KMU wirklich weiß, wie es sich aktuell mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verhält? Welches Unternehmen darf sich darauf berufen, wer sitzt, ohne es zu wissen, bereits längst tief in der Haftungsfalle? Herrscht nicht sogar landläufig der (Irr)glaube vor, die Insolvenzantragspflicht sei generell suspendiert, das Insolvenz­recht in den kompletten Winterschlaf versetzt?
Die zweite, bis Ende Januar geltende Verlängerung der Insolvenzantragsaussetzung betrifft wieder beide Insolvenzantragsgründe, die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung. Die erste Verlängerung vom 01.10. bis 31.12.2020 war nur auf die Überschuldung und somit auf ganz wenige Adressaten in nachweislich pandemiebedingter Schieflage gemünzt. Die aktuelle Aussetzung ist wiederum an bestimmte Bedingungen im Zusammenhang mit den sog. November- und Dezemberhilfen geknüpft. Weil das Bundeswirtschaftsministerium die Beantragung und Auszahlung dieser staatlichen Hilfen nicht zeitgerecht gewährleisten konnte und kann, soll die suspendierte Insolvenzantragstellung dieses Versagen quasi reparieren.
Für die Betroffenen ist alles recht kompliziert: Die zweite Verlängerung der Insolvenzantragsaussetzung gilt zusätzlich wiederum nicht, »wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist«. An dieser Stelle hat der persönlich haftende Geschäftsleiter auf sehr unsicherem Terrain diese Voraussetzungen zu prüfen und ihr Zutreffen zu prognostizieren. Wie der Name November- und Dezemberhilfen verrät, beziehen sich diese staatlichen Hilfen rückwirkend auf diese Monate. Ab Januar hat sich bei den von den Schließungsauflagen betroffenen Unternehmen nichts geändert, ihre Lage ist mindestens so prekär wie die im November und Dezember, auch bleibt es bei der Prognoseunsicherheit für viele Branchen. Darf der Geschäftsleiter im Übrigen prognostisch auch mit einer Januarhilfe etc. »rechnen«?
Dass die erste Antragsaussetzungsverlängerung nur die Überschuldung betraf und infolgedessen die Zahlungsunfähigkeit (spätestens) ab 01.10.2020 wieder galt – diese Trennschärfe hat sich auch medial nicht weit herumgesprochen. Genauso wenig scheint es angekommen zu sein, dass die aktuelle Antragsaussetzung an enge Voraussetzungen geknüpft ist. Dass viele Geschäftsleiter das COVInsAG gar nicht (mehr) durchblicken können und längst in die Haftungsfalle geraten sind und noch geraten werden, scheint
irgendwie kein großes Thema zu sein.
Aus SPD-Kreisen heißt es, man möchte die (an die staatlichen Hilfen geknüpfte) Aussetzung gleich bis Ende März 2021 verlängern. »Es ist absolut notwendig, die bis zum 31.01.2021 beschlossene Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zu verlängern«, erklärte MdB Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD), Berichterstatter für das Insolvenzrecht seiner Fraktion, am 12.01.2021. »Wir sehen eine Aussetzung bis zum 31.03.2021 als notwendig an. Es hat sich gezeigt, dass aktuell die staatlichen Novemberhilfen noch nicht an die betroffenen Unternehmen ausgezahlt sind und im Januar auch nicht ausgezahlt werden. Ein ähnliches Bild zeichnet sich für die Dezemberhilfen ab.« Aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war zu vernehmen, dass man noch sondiert. Am 18.01.2021 hat dann der Bundesrat in seiner Sondersitzung auf Antrag des Landes Hessen die Entschließung gefasst bzw. die Bundes­regierung dazu aufgefordert, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für die Unternehmen zu verlängern, die auf die Auszahlung der Hilfen warten (BR-Drs. 38/21). Somit ist wohl anzunehmen, dass der Bundestag die Verlängerung in der Sitzungswoche Ende Januar beschließt.
Zwar steigen die Insolvenzantragszahlen bzw. -eröffnungen nach einem stärkeren Rückgang wieder an (siehe dazu auch die Jahresstatistik 2020), aber diese Zunahme steht in keinem Verhältnis zur Dimension der Wirtschaftskrise und zu den Prognosen der Wirtschaftsverbände, welche gewaltige Insolvenzwelle uns bevorsteht. Es wächst somit auch wegen einer unzureichend kommunizierten und als »Freifahrtschein« für alle missverstandenen Insolvenzantragsaussetzung eine gewaltige Blase faktisch insolventer Unternehmen heran, die man anscheinend mit allen Mitteln nicht zum Platzen bringen will. Im Ergebnis geht diese Strategie aber auf Kosten aller, denn es leiden darunter mindestens sowohl die Rechtssicherheit als auch die Rechtsklarheit – bei nüchterner Betrachtung ein ziemlich hoher Preis für einen Rechtsstaat.

Inhaltsverzeichnis

3
Editorial
Statistik Gesamtjahr 2020
6
Impressum/Anzeigenübersicht
7
Statistik Barometer
Barometer Land
 
69
 
Barometer Bund
 
15
 
Verwalterranking nach Umsätzen
 
8
Statistik Bund
Top 300 Verwalter
 
11
 
Marktentwicklung 2014–2020
Top 10 »Closed Shops«
Top 10 »Open Shops«
 
112
 
Übersicht Gerichte und Verfahren
 
124
 
Verwalter im Internet
 
12
Statistik Länder
 
 
34
Statistik Städte
Baden-Württemberg
 
42
 
Bayern
 
52
 
Berlin
 
54
 
Brandenburg
 
56
 
Bremen
 
56
 
Hamburg
 
57
 
Hessen
 
84
 
Mecklenburg-Vorpommern
 
85
 
Niedersachsen
 
94
 
Nordrhein-Westfalen
 
106
 
Rheinland-Pfalz
 
110
 
Saarland
 
111
 
Sachsen
 
114
 
Sachsen-Anhalt
 
115
 
Schleswig-Holstein
 
119
 
Thüringen
 
66
Redaktion aktuell
RA Dr. Lars Westpfahl (Freshfields)
Das StaRUG-Verfahren hat erheblich an Attraktivität eingebüßt
71
Hintergrund
Alle Restrukturierungsgerichte mit namentlicher Zuständigkeit
Konzentriert nach dem StaRUG
75
 
StaRUG: Glossar Deutsch – Englisch
 
78
Arbeitskreise & Vorträge
COVInsAG – Entwicklungen, aktueller Regelungsgehalt und Auswirkungen
Komplexe Vermutungen
126
Termine für Ihre Fortbildung
 
 
80
Namen & Nachrichten
Scharfe Kritik der Opposition an zu zügigem parlamentarischen Verfahren des SanInsFoG
 
82
Sechster INDat Erklärfilm zur präventiven Restrukturierung
 
83
 
Justizsenatorin Schilling nimmt Stellung zum sog. Bremer Modell