Gesamtjahresstatistik 2022
und Redaktion aktuell

» RL-Vorschlag zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts

Reaktionen und Einordnungen zu Insolvency III

» NIVD-Vorsitzende RAin Dr. Susanne Berner zum Berufsrecht

Keine neue gemeinsame Verwalterlinie

» Befragung der 24 Restrukturierungsgerichte: Bilanz für 2022

Erhebung der RES- und SAN-Sachen im

zweiten Geltungsjahr des StaRUG

» Unternehmensinsolvenzverfahren vom 01.01.2022 bis 31.12.2022

Bestellungen an allen Insolvenzgerichten,

Rankings der Verwalter und Kanzleien

nach Bestellungen und nach Umsätzen

Symposien & Diskussionen
Erste Stimmen zu Insolvency III aus Brüssel

Berlin. Nachdem die EU-Kommission am 07.12.2022 den lang erwarteten Richtlinienvorschlag »Proposal for a Directive harmonising certain aspects of insolvency law«, wie üblich vorerst nur in englischer Sprache, vorgelegt hatte, hat sich die Europagruppe der DAV-Arge Insolvenzrecht und Sanierung zusammen mit einem Kommissionsvertreter am 15.12.2022 in dem zweistündigen Webinar »Insolvency III ante portas – neue Harmonisierungspläne der EU« mit dem 65-seitigen Papier und seinen 73 Artikeln beschäftigt. Die Runde hat neben der Vorstellung der Regelungsvorschläge auch erste Einschätzungen, Bewertungen und mögliche Auswirkungen auf das deutsche Recht aufgezeigt und diskutiert. Besonders im Fokus stand dabei das sog. verwalterlose Verfahren für KKMUs, das große Befürchtungen und Umsetzungsbedenken ausgelöst hat.

Text: Peter Reuter

Nicht ganz zutreffend bzw. zu bescheiden ob der Leistung hat der Leiter der Arbeitsgruppe Europa und Moderator des Webinars, RA Daniel F. Fritz (Dentons), das von den Mitgliedern der Gruppe als Referenten bestrittene Webinar »Insolvency III ante portas«, bei dem sich die im Schnitt 100 und in der Spitze 160 zugeschalteten Teilnehmer im Chat zu Wort melden konnten, als »betreutes Lesen« bezeichnet. Über die komprimierte Zusammenfassung der einzelnen Titel und ihrer Erwägungsgründe (ErwG) hinaus richtete sich der Blick auch auf mögliche Auswirkungen auf das nationale Recht, wobei mit Kritik nicht gespart und Lob auch ausgesprochen wurde. Der Workshop behandelte Title II – Mindestanforderungen an die Insolvenzanfechtung (RA Patrick Ehret (Schultze & Braun)), Title III – Stärkung des Asset Tracings in grenzüberschreitenden Verfahren durch verbesserten Zugang zu Informationen und Registern (RA Ivo-Meinert Willrodt (Pluta)), Title IV – Einführung eines Pre-pack-Insolvenzverfahrens (RA Peter Hoegen (Allen  &  Overy)), Title V – Regelungen zur rechtzeitigen Antragstellung durch die Geschäftsleiter und zur Verbesserung der Transparenz (RA Florian Bruder (DLA Piper)), Title VI – Vereinfachte Abwicklungsverfahren für Kleinstunternehmen (RA Axel Bierbach (MHBK)) und Title VII  – Anforderungen zur Verbesserung der Vertretung von Gläubigerinteressen im Verfahren durch Gläubigerausschüsse (RA Dr. Andreas Spahlinger (Gleiss Lutz)).

In der Einleitung begrüßte Daniel Fritz den aus Brüssel zugeschalteten Referatsleiter der Generaldirektion Recht der ­EU-Kommission, Andréas Stein, der über die Hintergründe und Grundüberlegungen dieser Richtlinie berichtete, in die »seine« Generaldirektion Justiz und die Generaldirektion FISMA (Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion) einbezogen waren. Zunächst führte Fritz, der auch die EU-Kommission als Private Expert bei diesem Richtlinienvorschlag unmittelbar beraten hatte, in das Papier ein, das »nicht vom Himmel gefallen« sei, sondern entsprechende Vorläufer und Vorüberlegungen hatte, die auf eine Entschließung des EU-Parlaments von 2011 zurückgehen, wonach ein funktionierender Kapital- und Binnenmarkt gleiche Spielregeln letztendlich auch im Insolvenzrecht benötigt, das den realen Mindestwert eines Vermögensgegenstands im Insolvenzverfahren regelt – man soll EU-weit auch in dieser Verteilungsfrage zu gleichen Ergebnissen kommen. Anhand eines Zeitstrahls zeigte Fritz die einzelnen Vorbereitungsschritte der zurückliegenden elf Jahre auf, sodass der Vorschlag an sich im Großen und Ganzen nicht überraschen dürfe, wenngleich aber einige Ausgestaltungen, denn bis zum 07.12.2022 war nach außen noch nicht so viel durchgedrungen wie z. B. bei der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz. Im englischen Text gebe es die beiden Schlüsselbegriffe »may«, Ausdruck für Flexibilität in der nationalen Umsetzung und für weniger Harmonisierung (Öffnungsklauseln), hob Fritz hervor, und den Begriff »shall«, der die EU-Staaten an eine bestimmte Umsetzung zwingend bindet (Mindestanforderungen). An den künftigen Stellungnahmen sei dann anhand der Verwendung dieser beiden Begriffe abzulesen, ob der Absender den Vorschlag eher unterstützt oder national abwehrt. Der Vorschlag verfolge die drei Kernziele Vermögensverwertung, Effizienz des Verfahrens und vorhersehbare, faire Verteilung an die Gläubiger, denen sich die einzelnen Titel (s. o.) jeweils zuordnen lassen. Der weitere Fahrplan sehe im Januar den Beginn der institutionellen Verhandlungen mit EU-Parlament und Rat vor, wofür man rd. zwei Jahre veranschlage, die Umsetzung erfolge dann zwei Jahre nach Inkrafttreten.

(…)

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