Titelthema | Peter Reuter | INDat Report 02_2014 | April 2014

Nutzen mehren und Schaden abwenden: Bereit zu Korrekturen im Anfechtungsrecht

Berlin. Die drei Stufen der von seiner Amtsvorgängerin entwickelten Insolvenzrechtsreform werden auch den neuen Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in seiner Amtszeit begleiten und beschäftigen. Die Auswirkungen des ESUG in der Praxis will Maas auch vor dem Hintergrund prominenter Eigenverwaltungen genau beobachten, das Inkrafttreten der RSB-Reform steht kurz bevor, und das Konzerninsolvenzrecht befindet sich in den parlamentarischen Beratungen und stößt in Europa auf positiven Anklang. Doch noch andere, bislang ungelöste Fragen und Probleme stehen auf dem Tableau. Wie er das »heiße Eisen« Vorsatzanfechtung, die von Wirtschaftsverbänden jüngst heftige Kritik erfahren hat, angehen will, ob das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) die vehementen Forderungen nach einer InsVV-Reform als dringlich ansieht, was in Sachen Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht zu erwarten ist und ob die Aufhebung des § 7 InsO in puncto fehlender Rechtsvereinheitlichung in wichtigen Umsetzungs­fragen beim ESUG klug gewesen ist, das fragte Peter Reuter Bundesjustizminister Heiko Maas.

INDat-Report: Der Koalitionsvertrag für die 18. LP befasst sich nur in einem kleinen Absatz mit dem Insolvenzrecht. Zum einen mit der Konzerninsolvenz, zum anderen mit dem Insolvenzanfechtungsrecht. Während sich der Bundestag bereits mit dem RegE eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen beschäftigt, soll die Vorsatzanfechtung »auf den Prüfstand« gestellt werden. Große Wirtschaftsverbände hatten eine Ausuferung der Insolvenzanfechtung beklagt und führen das auf die neuere BGH-Rechtsprechung zurück. In welcher Form könnte man an den Stellschrauben der Vorsatzanfechtung drehen, oder betrifft die Kritik an der Vorsatzanfechtung womöglich nur krasse Einzelfälle?

Maas: Fest steht, dass die Anwendung des Insolvenzanfechtungsrechts in der Praxis zumindest in einzelnen Fallkonstellationen zu Ergebnissen führt, bei denen man sich fragen kann, ob den legitimen Erwartungen und Interessen der in Anspruch genommenen Beteiligten noch hinreichend Rechnung getragen wird. Das müssen wir ernst nehmen, da wir den Rechtsverkehr nicht mit Unsicherheiten belasten wollen, die sich aus der Zielsetzung des Insolvenzanfechtungsrechts heraus nicht rechtfertigen lassen. Klar ist aber auch, dass das Anfechtungsrecht ein integraler und unverzichtbarer Bestandteil unseres Insolvenzrechts ist, der als solcher nicht zur Disposition stehen darf: Ohne das Instrument der Insolvenzanfechtung ließe sich der Anspruch des Insolvenzrechts, alle Gläubiger gleich zu behandeln, in der Praxis nicht einlösen. Es muss uns deshalb darum gehen, dass das Anfechtungsrecht in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung und in seiner praktischen Anwendung einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Betroffenen leistet. Die maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte sind dabei im geltenden Recht angelegt: Je weiter der zeitliche Abstand der angefochtenen Handlung zu dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, je weniger der Schuldner eine Benachteiligung seiner Gläubiger gewollt oder zu ihr beigetragen hat, je geringer das Wissen des Leistungsempfängers von der finanziellen Schieflage des Schuldners sowie der Gläubigerbenachteiligung gewesen ist und je stärker die empfangene Leistung im Zusammenhang mit einer an den Schuldner erbrachten Gegenleistung gestanden hat, desto schutzwürdiger ist der Leistungsempfänger und desto strenger sind die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung zu fassen. Ziel der Überprüfung des Anfechtungsrechts ist es, diese Wertungsgesichtspunkte regelungstechnisch in kohärenter Weise umzusetzen und damit zu verhindern, dass das Anfechtungsrecht zu unbilligen Ergebnissen führt.

(…)

Editorial | Peter Reuter | INDat Report 02_2014 | April 2014

Lässt sich mehr Geld verkaufen?

Wenn derzeit ein Thema viele Insolvenzpraktiker so richtig beschäftigt und interessiert, dann ist es die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung. Sowohl Verwalterverbände als auch erklärte Experten machen sich reichlich Gedanken, wie das Vergütungssystem für Verwalter reformiert werden kann. Zum einen geht es um die Berechenbarkeit und Transparenz der Verwalterkosten im nahezu undurchschaubaren Dickicht der InsVV-Praxis, zum anderen um eine geregelte Anhebung der Vergütungssätze, da der Inflationsausgleich, aber auch die veränderten Rahmenbedingungen bislang keinen Niederschlag in der Verordnung gefunden haben.



Dass viele Fachleute die InsVV unter die Lupe nehmen, mag von Vorteil sein, doch dass drei Verwalterverbände parallel an Reform­vorschlägen arbeiten – der VID e.V., der NIVD e.V. und der Gravenbrucher Kreis – und diese anscheinend keine konzertierte Aktion planen, kann den Verordnungsgeber- und den Gesetz­-geber vielleicht irritieren.



Die Äußerungen des Bundesjustizministers Heiko Maas im Interview dieser Ausgabe klingen zudem so, als ob die InsVV-Reform nun nicht gerade ganz oben auf seiner To-do-Liste steht.



Dem SPD-Minister mag es wohl schwer fallen, eine InsVV-Reform politisch zu verkaufen, die auch eine Vergütungserhöhung beinhaltet. Während ein Anstieg der Einkommen für viele derzeit nicht ansteht, kann es auf Unverständnis bis Empörung stoßen, einer Berufsgruppe, die in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zu den bedürftigsten zählt, eine Erhöhung ihrer Saläre abzuzeichnen.



Somit sind neben den fachlichen Argumenten für eine InsVV-Reform auch überzeugende politische Verkaufsargumente gefragt.

Inhaltsverzeichnis

3
Editorial
5
Insolvenzbarometer
6
Namen & Nachrichten
 
7
Erste Beratung im Bundestag zum RegE Konzerninsolvenzrecht
 
12
Titel
Interview mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD)
Nutzen mehren und Schaden abwenden: Bereit zu Korrekturen im Anfechtungsrecht
18
Berater & Kanzleien
RA Prof. Dr. Georg Streit (Heuking Kühn Lüer Wojtek)
Vertraulich arrangiert und zügig umgesetzt
22
Standpunkt
RAin Dr. Helena Melnikov (Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V.)
Entwicklung der Vorsatzanfechtung schädigt die deutsche Wirtschaft
24
Verwalter & Kanzleien
RAin Judith Skudelny (Rüdisühli Brenner Renz Rechtsanwälte)
Lehren aus dem Haifischbecken
28
Arbeitskreise & Diskussionen
Arbeitskreis für Insolvenzwesen Köln e.V.
Podiumsveranstaltung »Zwei Jahre ESUG« Mehr Konsens als Konflikt«
30
Richter & Gerichte
RiinAG Nicole Langer (Amtsgericht Aachen)
»Als Gericht möchte ich Gesicht zeigen«
34
Kongresse & Tagungen
13. BDU-Expertendialog Sanierung in Königswinter
Was sich vor und nach Antrag bewegen lässt
38
 
9. Berliner Trilog des iir e. V. in Berlin
Reform der Restschuldbefreiung und des Verbraucherinsolvenzverfahrens
42
 
15. Leipziger Insolvenzrechtstag
Uneinigkeiten und munterer Austausch
48
Symposien & Vorträge
16. ZIS-Abendsymposium in Mannheim zu »Leasing und Factoring in der Insolvenz«
Abschied von der Schmuddelecke
50
 
Stammtisch der TMA Deutschland e. V. zu »Anleihen in Krise und Insolvenz« in München
Top oder Flop?
52
Im Gespräch
Dipl.-Kfm. Frank Günther (One Square Advisors)
Schluss mit passiven Anleihegläubigern
54
Aktuelle Entscheidungen
Wann ist ein Antrag auf vorläufige Eigenverwaltung abzulehnen?
 
58
Statistik
Top 30 Verwalter, Top 30 Kanzleien, Top 10 Gerichte
 
59
Insolvenzbarometer II
 
 
62
Veranstaltungen, Impressum, Vorschau