Titelthema | Peter Reuter | INDat Report 02_2015 | März 2015

Gerichtsstandswechsel für Schemes of Arrangement
In Zukunft häufiger umparken wie Apcoa?

Stuttgart/London. Als neue Dimension und möglicherweise als Blaupause gelten die beim Londoner High Court of Justice für den Stuttgarter Parkraum-Manager Apcoa Parking Group im vergangenen Jahr erwirkten Schemes of Arrangement (SoA), um eine Restrukturierung der Finanzverbindlichkeiten zu erzielen. Die Neuheit bildete eine nachträgliche Änderung der kreditvertraglichen Regelungen zum geltenden Recht und zum Gerichtsstand. Apcoa vollzog einen »Umzug« von Deutschland nach England lediglich in den Bestimmungen der Kreditverträge, um in den Genuss von SoA zu kommen. Wie diese SoA zustande kamen, ob diese Ausgestaltung eher als Einzelfall oder als Vorbild für weitere Fälle zu werten ist, an welche Grenzen dieser Lösungsweg stößt und wie sich dieser Fall auf das deutsche Recht auswirken kann, erläutern am Verfahren maßgeblich beteiligte Akteure sowie mit der Materie bestens vertraute anwaltliche Restrukturierungsberater.

Das englische Scheme of Arrangement (SoA) ist nicht nur beliebt in seinem Heimatland, sondern auch weit über seine Grenzen hinaus. So haben die deutschen Unternehmen TeleColumbus, PrimaCom und Rodenstock dieses Sanierungsinstrument einsetzen können, um erfolgreich die Passivseite zu restrukturieren. Das SoA setzt keine Insolvenz voraus, kann jederzeit initiiert werden, gilt als flexibel und kommt vielseitig für Vereinbarungen zwischen Unternehmen und seinen Gläubigern infrage, deren Wirksamkeit gerichtlich bestätigt werden muss. »Das Gesetz enthält in den einschlägigen Vorschriften des Companies Act (CA) 2006 kaum Einschränkungen hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltungen«, sagt Dr. Artur M. Swierczok, LL.M.  (UCL), MSt. (Oxford), der mit der Arbeit »Das englische Scheme of Arrangement und seine Rezeption in Deutschland« 2013 an der Universität Tübingen promoviert hat. Das Verfahren zeichnet sich durch seine Schnelligkeit aus. Es lässt sich im besten Fall bereits innerhalb eines Zeitraums von acht Wochen vorbereiten und umsetzen. »Einmal vom Gericht bestätigt, entfalten Rechtsmittel auch keine aufschiebende Wirkung, und das SoA kann nur noch aus wenigen Gründen, wie z. B. Täuschung oder Drohung, nachträglich wieder aufgelöst werden.« In vielen Fällen kommt dieses Instrument zum Einsatz, um Kreditlaufzeiten zu verlängern oder Darlehenskonditionen zu verändern. Daher gilt es für Unternehmen mit komplexen Finanzierungsstrukturen als geeignet. Das SoA entfaltet dann eine Bindungswirkung für opponierende Gläubiger, wenn in jeder beteiligten Gläubigergruppe die einfache Mehrheit der Abstimmenden und mindestens 75 Prozent des Forderungsvolumens zustimmen.

Der Schritt auf
rechtliches Neuland

»Bereits unmittelbar nach den ersten erfolgreichen SoA-Verfahren bei deutschen Unternehmen hatten wir intensiv darüber nachgedacht, insbesondere über die Möglichkeit der Zuständigkeitsbegründung durch eine Änderung des Rechts, dem das Finanzierungsinstrument unterliegt, vom deutschen ins englische sowie einer entsprechenden Änderung des Gerichtsstands«, berichtet RA Dr. Stefan Sax, Partner und Leiter des deutschen Restrukturierungsteams von Clifford Chance LLP, dessen Frankfurter Büro mit den Londoner Kollegen die Stuttgarter Apcoa-Gruppe bei den SoA beraten hat und der auch bei den SoA der TeleColumbus Gruppe und der Rodenstock Gruppe beratend mitgewirkt hatte. »Nach TeleColumbus und Rodenstock war dies erneut ein Schritt, der bis dahin noch nicht in der Praxis getestet worden war und die Frage, ob der High Court auf die Sachlage seine Zuständigkeit annehmen würde, folglich rechtliches Neuland.« Zur Erinnerung: Bei den deutschen Unternehmen TeleColumbus, Rodenstock und PrimaCom unterlagen die Kreditverträge bereits englischem Recht und englische Gericht waren zuständig, sodass eine hinreichende Verbindung (sufficient connection) zu England vorlag. Zuvor gab es die sehr zeit- und kostenintensive Methode für deutsche Unternehmen wie im Fall Schefenacker und Deutsche Nickel, mittels eines COMI-Shiftings am englischen Recht partizipieren zu können. Allerdings strebte man keinen SoA an, sondern englische Insolvenzverfahren wie den CVA.
»Bei Apcoa waren wir nun erstmals mit der Situation konfrontiert, die abstrakt für ein SoA gut geeignet schien, allerdings unterlag der Kreditvertrag deutschem Recht«, sagt RA Dr. Leo Plank, Partner der deutschen Restrukturierungs- und Insolvenzpraxis von Kirkland & Ellis International LLP in München, der den Finanzinvestor Centerbridge Partners bei den Apcoa-SoA beraten hat und zuvor die Rodenstock GmbH und TeleColumbus GmbH bei deren SoA vertreten hatte. »Gleichzeitig war eine Änderung der Rechtswahl und der Gerichtsstandsklausel mit 2/3-Mehrheit möglich. Mangels anderer Alternativen haben sich die beteiligten Berater daher entschieden, nach einer Änderung der Rechtswahl und Gerichtsstandsklausel ein SoA anzustreben.«

(…)

Editorial | Peter Reuter | INDat Report 02_2015 | März 2015

Nichts ist in Stein gemeißelt

Es ist noch gar nicht so lange her, dass zwei Umzüge für Aufregung gesorgt haben: Schefenacker und Deutsche Nickel. Sie hatten ihren Sitz nach England verlagert, um in den Genuss des dortigen Rechts für eine Restrukturierung zu kommen.

Schnell ist danach die Diskussion zur Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Insolvenzrechts entbrannt, die auch dazu geführt hat, dass die InsO mit dem ESUG die bislang größte Reform seit ihrem Inkrafttreten erfahren hat.

Nun gibt es einen weiteren Umzug nach England, der sich aber nur auf dem Papier abgespielt hat. Die entsprechenden Mehrheiten hatten für eine Änderung des anzuwendenden Rechts und des Gerichtsstands in den Kreditverträgen votiert, sodass zum ersten Mal auf diesem Wege das englische Restrukturierungsrecht in Form von Schemes of Arrangement (SoA) zur Anwendung kommen konnte.

Bislang hat dieser Fall, der den Stuttgarter Parkraum-Manager Apcoa Parking betrifft, noch nicht zu der Aufregung wie in den Fällen Schefenacker und Deutsche Nickel geführt – bislang noch nicht. Doch die Stimmen mehren sich wieder, auch in Deutschland ein dem SoA angelehntes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren einzuführen.

Bekanntermaßen hat die Europäische Kommission den Mitgliedsstaaten kürzlich die Einrichtung vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren empfohlen. Diese Forderung ignoriere, heißt es aus dem BMJV, wofür sich der deutsche Gesetzgeber mit dem ESUG entschieden habe. Doch man werde das ESUG evaluieren, um ggf. Lücken ausfindig zu machen.

»Nichts ist in Stein gemeißelt«, heißt es dazu aus dem BMJV weiter. Ob das als erster Wink für ein Umdenken zu werten ist oder nicht mehr bedeutet als allgemein »Nichts ist für die Ewigkeit« – das werden wir sehen.

Inhaltsverzeichnis

3
Editorial
5
Insolvenzbarometer
6
Namen & Nachrichten
CDU/CSU-Vermerk nennt Stand zum Insolvenzanfechtungsrecht
7
Insolvenzbarometer I
 
8
Im Gespräch
MdB Lothar Binding (SPD) Seer-Kommission zur Harmonisierung des Insolvenz- und des Steuerrechts
Empfehlungen sind zum Teil recht einseitig
9
Namen & Nachrichten
 
 
10
Titel
 
Gerichtsstandswechsel für Schemes of Arrangement In Zukunft häufiger umparken wie Apcoa?
16
Verwalter & Berater
RA Christopher Seagon und RA Alfred Hagebusch (Wellensiek)
Mehr Kern und weniger Schale
20
Im Gespräch
RA Dr. Frank Kebekus, Sprecher des Gravenbrucher Kreises
Herzlichen Dank für acht Jahre
22
Verwalter & Kanzleien
RA Bernd Depping, RA Steffen Reusch, RA Roman-Knut Seger (dnp Depping)
Kleines Team für große Fälle
26
Standpunkt
RA Klaus Siemon
Eine juristische Person kann keine Leitfigur in einer Sanierung sein!
30
Im Gespräch
Prof. Dr. Carsten Schäfer Lehren aus dem Suhrkamp-Fall
Aushöhlung war nicht vorhersehbar
34
Schwerpunkt: Beratermarkt
 
Retter, Lotsen und Ratgeber gesucht!
38
Professoren & Lehrstühle
Prof. Dr. Horst Eidenmüller (LMU München/University of Oxford)
Die Zeit war nun reif für Oxford
42
Symposien & Vorträge
TMA-Stammtisch in Frankfurt am Main
Suhrkamp hat ein neues Kapital aufgeschlagen
44
Kongresse & Tagungen
17. Norddeutscher Insolvenzrechtstag in Hamburg
Pflegeprogramm für die Masse
48
 
16. Leipziger Insolvenzrechtstag
Wer am Ende die Rechnung bezahlt
52
Symposien & Vorträge
ZIS-Abendsymposium in Mannheim
Gläubigerausschuss im Schleudersitz?
55
Die aktuelle Entscheidung
 
BGH: Zahlungseinstellung bei Nichtzahlung von Weihnachtsgeld
58
Statistik
 
Top 30 Verwalter, Top 30 Kanzleien, Top 10 Gerichte
59
Insolvenzbarometer II
 
 
62
Veranstaltungen, Impressum, Vorschau