Titelthema | Peter Reuter | INDat Report 03_2014 | Mai 2014

Anhörung im Bundestag: Wie gewichtig das Konzerninsolvenzrecht für die Praxis ist

Berlin. Auf der Tagesordnung der 12. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags stand am 02.04.2014 im Paul-Löbe-Haus die öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung »Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen«, den die sieben eingeladenen Sachverständigen in der Zielsetzung zwar begrüßten, dessen geplante Mechanismen sie aber mitunter heftig kritisierten. Zudem betonten die Experten mit Bezug auf den RegE die dringend umzusetzende Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht und baten die Abgeordneten, die derzeit sehr kontrovers diskutierte Vorsatzanfechtung in ihren Nachfragen zum Thema zu machen.

Zur etwa zweieinhalbstündigen öffentlichen Anhörung im Aus­- schuss für Recht und Verbraucherschutz begrüßte die Ausschussvorsitzende, MdB Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), am 02.04.2014 die von den vier Fraktionen eingeladenen sieben Sachverständigen, die in alphabetischer Reihenfolge ihre auf fünf Minuten begrenzten Statements vortragen sollten: RiAG Frank Frind, Amtsgericht Hamburg; RA/StB Dr. Günter Kahlert; RA Dr. Christoph Niering, Vorsitzender des Verbands Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (VID); RA Prof. Dr. Klaus Pannen als Vorsitzender des Ausschusses Insolvenzrecht des Deutschen Anwaltvereins; Dr. Manja Schreiner, Leiterin der Abteilung Recht und Organisation des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH); RA Dr. Nils G. Weiland und Andrej Wroblewski aus dem FB Sozialpolitik/Ressort Arbeits- und Sozialrecht im IG Metall Vorstand. Dann begrüßte die Vorsitzende die Mitglieder des federführenden Rechtsausschusses – 13 Mitglieder folgten der Anhörung inklusive der Berichterstatter Prof. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU), Richard Pitterle (Die Linke) und Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) – sowie die des mitberatenden Finanzausschusses und des Ausschusses für Arbeit und Soziales und die Vertreter der Bundesregierung, den Parlamentarischen Staatssekretär im BMJV, Christian Lange (SPD), und RegDir Alexander Bornemann vom Referat Insolvenzrecht.

Was für die Bürger oft sperrig erscheine, entpuppe sich häufig als juristisch hochspannend, wobei dann der »Teufel im Detail« stecke, so leitete Künast die Anhörung ein. Sie erläuterte das geplante Gesetz (BT-Drs. 18/407) in Grundzügen, erwähnte den dort neu kreierten Beruf des Koordinationsverwalters und gab den Sachverständigen in Anbetracht des zeitlich begrenzten Eingangsstatements den Tipp, die MdB darauf hinzuweisen, zu welchen Aspekten sie gerne befragt werden würden.

Frank Frind, dessen Statement eine 21-seitige Stellungnahme zugrunde lag, die auch einen Exkurs zur Frage der Einschränkung des § 133 InsO beinhaltet, ergänzte zu seiner Person, dass er seit 17 Jahren als Insolvenzrichter tätig sei, im Jahr alleine etwa 500 Regel- und 1000 Verbraucherinsolvenzverfahren bearbeite und Vorstandsmitglied des Bundesarbeitskreises Insolvenzgerichte (BAKinso) e. V. sei. Er erinnerte an das ESUG, das »nachgebessert werden muss« und die zum 01.07.2014 in Kraft tretenden Neuerungen der Verbraucherinsolvenz, sodass die Gerichte bei so vielen Reformen kaum nachkämen, diese umzusetzen. Da man anscheinend auch eine Regelung zur Vorsatzanfechtung und eine Harmonisierung des InsR und des StR vorsehe, plädiere er statt Einzelreformen für eine gebündelte Reform.



Vorschub für Forum Shopping/Richter-Hopping



Zum RegE Konzerninsolvenzrecht bemerkte Frind, dass dort von einer »Unternehmensgruppe« und nicht vom Konzern die Rede sei, was sich bedeutend auf die Reichweite auswirke. Der Entwurf behandle vor allem keine akuten insolvenzpraktischen Probleme, denn bei allen relevanten Konzerninsolvenzen seien bisher »hervorragend« Lösungen für eine Konzentration des Insolvenzgerichtsstandortes gefunden worden. Er kenne kein Beispiel, bei dem es »schief gegangen ist«. Die im RegE angeführten Beispiele für Konzerninsolvenzen, Arcandor/Quelle, Babcock Borsig, BenQ oder Kirch Media, seien gerade von einem Gericht bewältigt worden, der RegE bleibe jedes Beispiel für die behauptete Unsicherheit schuldig. Es gebe allerdings Fälle, die zwei Verwalter nötig machten, dennoch kenne er wiederum keinen Fall, bei dem sich zwei Insolvenzverwalter »gekloppt haben«. Als »Knaller« bezeichnete Frind die 10 %-Hürde zur Eignung als Gruppengerichtsstand, was aus Sicht der Verbraucher und Gläubiger nicht akzeptabel sein könne. Dann betonte er die Gefahr des Forum Shoppings und des Richter-Hoppings, was nicht Gläubigerinteressen entspreche und missbrauchsanfällig sei, wenn Schuldner derart frei steuern könnten.

(…)

Editorial | Peter Reuter | INDat Report 03_2014 | Mai 2014

Bitte mit weniger Biss

Ausgesprochen verbissen haben sich die Lobbyisten, die sich eine Entschärfung des § 133 InsO fest vorgenommen haben. Sie haben es sogar geschafft, dass die Regierungskoalition die Vorsatzanfechtung auf den Prüfstand stellen will.

Als nun die Kritiker der Vorsatzanfechtung auf dem Deutschen Insolvenzrechtstag gebeten wurden, ihre heftig vorgebrachten Änderungswünsche mit Zahlen, Daten und Fakten zu unterlegen, mussten sie einräumen, diese nicht liefern zu können.



Doch Professor Bork konnte ihnen helfen. Er lieferte Fakten, wie häufig die Vorsatzanfechtung zum Tragen kommt, indem er BGH-Entscheidungen und Zahlen des Mittelstandsverbunds unter die Lupe nahm. Sein Ergebnis war niederschmetternd: Die Fakten stünden in keinem Verhältnis zur Phonstärke des Protests.

Auch die Anhörung im Bundestag zum Konzerninsolvenzrecht, in die sich die Vorsatzanfechtung »eingeschlichen« hatte, brachte außer Vermutungen keine neuen Erkenntnisse zur wirtschaftlichen Schädlichkeit des § 133 InsO. Den Kritikern wird nun neben dem fehlenden Faktenmaterial vorgeworfen, wenig darüber zu wissen, wie man die Vorsatzanfechtung vermeidet und wie man sich gegen sie zur Wehr setzen kann.

Aber wie kommen die Befürworter einer entschärften Vorsatz­anfechtung aus ihrem Proteststurm gesichtswahrend wieder heraus? Werden sie kleinlaut beigeben? Wohl eher nicht.

Als es vor noch gar nicht so langer Zeit die Diskussion über die Quote für eine vorzeitige Restschuldbefreiung gab, sprachen sich die Experten für eine niedrige Quote aus und die Fakten gaben ihnen Recht. Doch politisch wurde bekanntermaßen anders ent­- schieden, da der Druck zu stark war.

Zu hoffen ist daher, dass dieses Mal dem Sachverständigen- rat und der Faktenlage gefolgt und dem Druck der Lobbyisten widerstanden wird.

Inhaltsverzeichnis

3
Editorial
5
Insolvenzbarometer
6
Namen & Nachrichten
 
8
Titel
Anhörung im Bundestag: Wie gewichtig das Konzerninsolvenzrecht für die Praxis ist
12
Berater & Kanzleien
RA Kolja von Bismarck und RA Dr. Sven Schelo (Linklaters LLP)
High End-Jura für jede Überraschung
16
Standpunkt
RAin Dr. Susanne Berner, Vorstandsvorsitzende der Neuen Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands (NIVD) e. V.
NIVD e. V. legt einen DiskE für ein Vergütungsgesetz vor
18
Verwalter & Kanzleien
RA Dr. Hans-Peter Rechel (WZR Wülfing Zeuner Rechel)
Prägende Jahre im östlichen Walzwerk
22
Standpunkt
RA Prof. Dr. Volker Römermann
Doppelnützige Treuhand: Nichtige Verträge, existenzielles Risiko für Berater
26
Kongresse & Tagungen
11. Deutscher Insolvenzrechtstag in Berlin
Anfechtungskritiker in Schranken verwiesen«
36
 
11. Jahrestagung der Arbeitsgruppe Zwangsverwaltung des Deutschen Anwaltvereins
ZVG-Reform gilt als dringendes Vorhaben
38
 
Siebtes Heidelberger Symposium zur Unternehmensrestrukturierung
Lernerfolg aus der Krise ist messbar
42
 
2. Handelsblatt Jahrestagung zur doppelnützigen Treuhand in Berlin
Doppeltreuhand im Windschatten des ESUG
46
Arbeitskreise & Vorträge
Arbeitskreis für Insolvenzwesen Köln e. V.
Schönwettergesetz?
47
Statistik
Top 30 Verwalter, Top 30 Kanzleien, Top 10 Gerichte
 
48
Statistik 1. Quartal 2014
Verwalter und Kanzleien mit einzelnen Verwaltern in den 16 Bundesländern
 
67
Insolvenzbarometer II
 
 
70
Veranstaltungen, Impressum, Vorschau