Titel | INDat Report 03_2025 | April 2025
Was die neue Insolvenzverwaltergeneration motiviert und wie sie sich für diese immer komplexere und haftungsträchtigere Tätigkeit gewinnen lässt
Aus dem Schatten in das Licht
Köln. Im Jahr 2024 gab es 1353 Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter, die mit mindestens einem eröffneten IN-Verfahren betraut worden sind. Diese Verwalter gehörten wiederum 652 Kanzleien an. Die weitere statistische Auswertung ergibt, dass im zurückliegenden Jahr insgesamt 34 Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter erstmals mit einem IN-Verfahren betraut worden sind, beim Start mit einem IK-Verfahren ist die Anzahl der Einsteiger deutlich höher. Wie in allen Branchen sind auch die Insolvenzverwalterkanzleien von einem Fachkräftemangel in allen Bereichen betroffen, davon ist die Tätigkeit des Insolvenzverwalters nicht ausgenommen, die nach einem Studium noch einer mehrjährigen Praxisschulung bedarf, bevor an eine Listung oder sogar Bestellung bei hoher zeitlicher Unkalkulierbarkeit zu denken ist. Im Folgenden sollen drei Jungverwalterinnen und elf Jungverwalter vorgestellt werden, die über ihre Motivation sprechen, warum sie diesen komplexen und haftungsträchtigen Beruf ergreifen wollten, wie nach der bis zu zehnjährigen Lernphase als sog. Schattenverwalter die erste Listung verlaufen ist und welche Erinnerungen sie an ihre erste eigene Bestellung behalten werden, was ihnen im Kanzlei- und Arbeitsumfeld besonders wichtig ist und wie sie sich zu den Themen Höchstpersönlichkeit und Berufsrecht für Insolvenzverwalter positionieren. Aufschlussreiche und spannende Einblicke in die nächste Verwaltergeneration, die auch verrät, was sie wohl von den Vorgängergenerationen unterscheidet.
Text: Peter Reuter
Als Insolvenzverwalter kann sich der bezeichnen, den ein Insolvenzgericht mit einem (vorläufigen) Insolvenzverfahren über eine nat. oder eine jur. Person betraut hat. Grundvoraussetzung dafür ist bekanntermaßen die Listung bei einem oder mehreren der derzeit 181 Insolvenzgerichte bzw. je nach Gerichtspraxis bei den einzelnen Insolvenzrichterinnen und -richtern, verbunden mit dem von dem jeweiligen Gericht vorgegebenen Bewerbungsverfahren. Mit der erfolgten Listung ist die erste Hürde genommen, um dem Beruf des Insolvenzverwalters ein Stück weit näher zu kommen. Nun kann es bis zur ersten Bestellung einige Zeit dauern, wobei dann zumeist der Einstieg mit IK-Verfahren und später massemäßig überschaubaren IN-Verfahren beginnt. »Freudenrufe und Jubel bei der Bewerbung eines jungen Rechtsanwalts konnte ich nicht feststellen«, erinnert sich RA Sebastian Richter (Antoniadis & Ure), den seit Mitte Februar dieses Jahres das AG Mönchengladbach sowohl für IN- als auch IK-Verfahren bestellt. Neben einer Darstellung der bisher übernommenen Aufgaben, Unterstützungsleistungen sowie Vorbereitungsmaßnahmen im Rahmen der vollumfänglichen und selbstständigen Insolvenzverfahrensbearbeitung sowie der fachlichen Qualifikationen »dürfte auch ein Qualifikationsschreiben der Partner dazu beigetragen haben, zu einem persönlichen Gespräch mit der Richterschaft eingeladen zu werden«. Ende 2023 hatte sich Sebastian Richter um die Aufnahme auf die Vorauswahlliste beworben. Auch für RA David Blum (Anchor), der seit dem Frühjahr 2024 als Insolvenzverwalter vom AG Ulm bestellt wird, hätten zwei Partner der Kanzlei Empfehlungsschreiben für die Bewerbung ausgestellt, berichtet er. Außerdem habe ein Partner, der bereits vom Insolvenzgericht bestellt wird, ihn zum Vorstellungsgespräch beim Gericht begleitet. »Ich denke, die größte Herausforderung ist es, als Nichtjuristin und Nichtjurist eine Listung zu erhalten«, sagt die Steuer- und Rechtsbetriebswirtin (IWW) Petra Rüschhoff-Körner (Michels Vorast Insolvenzverwaltung). »Da unser Büro und meine beiden Chefs jedoch einen guten Ruf beim AG Münster haben, war die Wartezeit nach persönlicher Vorstellung bei Gericht und den Richtern zwar lang, doch letztendlich dann erfolgreich.« Seit 2024 bestellen sie das AG Münster und das AG Bochum als Treuhänderin und Insolvenzverwalterin. An zwei weiteren Gerichten in Niedersachsen laufe das Bewerbungsverfahren. Auch Betriebswirt Alexander Pilgrim (hww hermann wienberg wilhelm) gehört zu den wenigen Nichtjuristen unter den (Jung)verwaltern. Seit 2024 bestellen ihn die AG Bad Homburg, Darmstadt, Frankfurt am Main, Hanau und Offenbach am Main als Treuhänder und Verwalter. Kein Jurist zu sein, sei einer Bewerbung auf den ersten Blick nicht unbedingt zuträglich, sagt er. Er habe aber festgestellt, dass die Richterinnen und Richter, denen er sich vorgestellt habe, diesem Umstand und seiner Person dennoch sehr aufgeschlossen gegenübergestanden hätten. »Mein persönlicher Anspruch war, dass ich die theoretischen Anforderungen des Fachanwalts für Insolvenz- und Sanierungsrecht nachweisen kann. Daher habe ich diesen Lehrgang 2022/2023 nebst Klausuren erfolgreich absolviert.« Auch wenn er diese Bezeichnung nicht führen kann, habe er sich selbst verpflichtet, die Anforderungen im Bereich der Fortbildungen gem. § 15 Abs. 2 FAO »stets zu erfüllen«. Auch Wirtschaftsjurist Restrukturierung Maximilian Berger (SGP Schneider Geiwitz & Partner) stellt fest, dass man sich bislang gedanklich damit etwas schwerer tut, vom klassischen Juristen/Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter »wegzukommen«. Die Vorstellungsgespräche mit den Richterinnen und Richtern hätten nach Einreichung der Bewerbungsunterlagen gemeinsam mit seiner Mentorin Insolvenzverwalterin RAin Petra Heidenfelder stattgefunden. Seit Dezember 2023 betraut ihn das AG Offenbach am Main mit IK- und IN-Verfahren, das AG Frankfurt am Main seit Februar 2025 mit IK-Verfahren. An einem weiteren hessischen Gericht habe er eine Bewerbung eingereicht. Neben dem Vorstellungsgespräch würden sich auch Fachaufsätze, Vorträge, die Teilnahme an Fachveranstaltungen und Netzwerktreffen, aber auch die Mitwirkung im Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e. V. (VID) helfen, die Expertise zu unterstreichen, sagt RA/Dipl.-Kfm. Paul Michels (ATN d’Avoine Teubler Neu), der seit dem Jahr 2020 für IK- und IN-Verfahren vom AG Essen, seit 2023 vom AG Münster und seit 2025 vom AG Hagen bestellt wird. Mit »konsequenter und unprätentiöser« Arbeitsweise qualitativ hochwertige Arbeitsergebnisse zu liefern, unterstützt von Seniorpartnern und Mentoren, habe schließlich zu ihrer ersten Listung geführt, ist sich RAin Dr. Dragica Banovic (hww) sicher, die seit 2008 in der Schattenverwaltung tätig war und seit 2019 von den AG Friedberg, Gießen, Bad Homburg, Frankfurt am Main, Offenbach am Main und Mannheim bestellt wird und an zwei weiteren Gerichten gelistet sei.
(…)