Titel | INDat Report 04_2024 | Juni 2024
Immobilienprojektierer in der Krise: Ein Lösungsweg im »simplen« Insolvenzplanrecht
Der Plan als Wächter für ein Gesamtkonzept
Frankfurt am Main. Die Lage für Immobilienprojektentwickler ist dramatisch. Jede andere Formulierung wäre euphemistisch. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland über 30.000 Immobilienprojektierer, die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen. Gemessen daran ist das Insolvenzgeschehen in diesem Sektor noch als eher moderat anzusehen. Wie in vielen anderen Bereichen auch kann ein Insolvenzverfahren – oder wie jüngst in Bremen geschehen ein StaRUG-Verfahren – dabei helfen, für alle Beteiligten Werte zu erhalten und Zukunftsperspektiven zu schaffen. Voraussetzungen sind aber, dass das Verfahren früh genug eingeleitet wird, verfahrensrechtlich die richtigen Schritte gegangen werden, gut kommuniziert wird und die richtigen Ideen eingebracht werden. Von diesen Aspekten und den jüngsten praktischen Erfahrungen in diesem Bereich berichtet dieser Beitrag.
Text: Rechtsanwalt Prof. Dr. Jan Roth, Wellensiek Rechtsanwälte
Die Ausgangslage ist für Immobilienprojektentwickler derzeit katastrophal. Sie sind wirtschaftlich einer multiplen Krise ausgesetzt: Die Zinsen sind in kurzer Zeit stark angestiegen, was für viele Projekte die Kosten erhöht. Wer das Glück einer vereinbarten Finanzierung zu einem noch günstigeren Zinssatz hat, hat jedenfalls das Problem eines starken Rückgangs auf der Nachfrageseite mit der Folge, dass Verkaufspreise gesenkt werden müssen bzw. bei noch in frühen Entwicklungsstadien befindlichen Projekten die zukünftigen Verkaufspreise kaum prognostiziert werden können. Zudem sind die Herstellungskosten stark gestiegen, die Baustoffpreise haben sich mancherorten gegenüber der Kalkulation in der Entwicklungsphase verdoppelt.
Gesellschaftsrechtlich und organisatorisch sind viele Projektentwickler für ein Sanierungsszenario reichlich ungünstig aufgestellt. Regelmäßig sind sie konzernartig gebildet, für manche Projekte sind eigene Projektgesellschaften entstanden, in anderen Projektgesellschaften befinden sich mehrere Projekte in unterschiedlichen Entwicklungsstadien, wieder andere Gesellschaften verfügen über das Personal, das die gesamte Gruppe für ihre Entwicklungen einsetzt, nebenher gibt es noch Generalbauunternehmen und andere Gesellschaften, die einzelne Aufgaben in der komplexen Projektentwicklungswelt übernehmen. Zwischen den Gesellschaften gibt es in Bezug auf Finanzierungen Verflechtungen, ggf. sogar Gesamthaft von Grundstücken über Gesellschaftsgrenzen hinweg. Was in einer florierenden Projektentwicklungsbranche dazu beiträgt, Verwaltung zu erleichtern, Haftungsrisiken zu begrenzen und für Verkäufe unterschiedliche Optionen zu ermöglichen, führt in der Krise des Projektierers zu einer unglaublichen rechtlichen Komplexität und erschwert die Anwendung insolvenzrechtlicher Sanierungsinstrumente enorm.
Nicht zuletzt sind Projektentwickler in einem sehr viel größeren Maße Partikularinteressen einzelner Stakeholder ausgesetzt, als es in anderen Branchen üblich ist. Es gibt zumeist nicht nur einen oder zwei, sondern eine Vielzahl von Finanzierern, deren Interesse sich auf die Erhaltung eines einzelnen Projekts bezieht und die punktuell dinglich gesichert sind. Mitunter haben die einzelnen Projektgesellschaften auch noch divergierende Gesellschafterkreise, ggf. sogar eine Vielzahl von Anlegern. Insolvenzrechtlich sind auf Rechtsträgerebene gesonderte Haftungsmassen zu bilden.
Start ins Verfahren mit Gesamtkonzept für den Konzern
Ist das Bedürfnis nach einer Sanierung festgestellt, stellt sich die Frage nach dem Wie. Gehen wir vom Regelfall aus, dass das Management nicht so frühzeitig insolvenzrechtliche Beratung einholt, dass die Palette der Möglichkeiten auch das StaRUG-Verfahren beinhaltet (dazu später noch im Folgenden), findet der Berater nun ein Konglomerat von Gesellschaften vor, von denen einige schon sehr tief in die Krise gestürzt sind, andere weniger oder – jedenfalls aus insolvenzrechtlicher Sicht – noch gar nicht. Es braucht ein alle Gesellschaften umfassendes Konzept, ein verfahrensmäßiges wie auch ein wirtschaftliches. Ohne Gesamtkonzept ins Verfahren zu gehen, kann nicht gut laufen. Nur: Typischerweise sind bei Immobilienprojektentwicklungskonzernen einzelne Gesellschaften bei genauem Hinsehen schon zahlungsunfähig, weil wir als Insolvenzjuristen auf die Einzelgesellschaftsebene blicken, während das Management, das über alle Gesellschaften hinweg denkt, das bei Weitem noch nicht so sieht. Dass einzelne der Gesellschaften ihre Verbindlichkeiten trotz Fälligkeit nicht bezahlen können und auch keine rechtlichen Möglichkeiten haben, auf Finanzmittel anderer Gesellschaften zuzugreifen: »Das macht nichts, denn dort und dort ist ja noch Geld; wir können das ja bezahlen«, bekommt man gern vom Management gesagt. Was also tun, wenn man jetzt nicht unkontrolliert und eilends einzelne Gesellschaften vorab ins Insolvenzverfahren schicken will? Das ist die Gewissens-, um nicht zu sagen Gretchenfrage: Durch Liquidität aus anderen Gesellschaften unterstützen und Zahlungsunfähigkeit dadurch beseitigen? Das ist der direkte Weg in die persönliche Haftung der Geschäftsleitung, denn aus Sicht der die Liquidität gewährenden Gesellschaft muss der Ausfall des Rückzahlungsanspruchs als wahrscheinlich angesehen werden; dann aber darf der Geschäftsleiter ein Darlehen nicht ausreichen. Vielleicht denkt ein späterer Insolvenzverwalter gar an Untreue. Durch Stundungen der Gläubiger auf Projektgesellschaftsebene Fälligkeiten beseitigen? Dann macht das die Runde und in Windeseile gilt am Markt die komplette Gruppe als klamm. Eigentlich sauber ist nur die Lösung, frische Liquidität eines externen Dritten hereinzuholen, dem man aber reinen Wein einschenken muss. Die Praxis zeigt, dass der kaum zu finden ist. Wer sollte das auch sein?
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