Titelthema | INDat Report 05_2021 | Juli 2021

Immobilien zurückmieten als ein Schlüssel zum Sanierungserfolg

Sale-and-Lease-Back-Transaktionen von Gewerbeimmobilien im Restrukturierungskontext nehmen zu


Auch wenn es sich derzeit noch nicht in steigenden Antrags- zahlen bei den Unternehmensinsolvenzen widerspiegelt, wofür die pandemiebedingte Lockerung der Insolvenzantragspflicht und die enormen staatlichen Finanzspritzen sicher eine Rolle spielen dürften, besteht bei immer mehr Unternehmen Liquiditätsbedarf. Um die Liquidität zu erhöhen, nutzen vorausplanende und kriselnde Unternehmen wieder häufiger ein Instrument, das normalerweise im Schatten der Kapitalbeschaffung durch Bankkredite steht: das sog. Sale-and-Lease-Back (SLB). Dabei werden Assets eines Unternehmens von Fahrzeugen über Maschinen bis zu Immobilien zu einem »marktüblichen« Preis an einen Investor verkauft und gleichzeitig für einen vereinbarten Zeitraum an das Unternehmen zurückvermietet – häufig für zehn Jahre oder mehr. Auch kurzfris- tige Rückmietzeiträume von bis zu zwei Jahren oder mittelfristige zwischen zwei und zehn Jahren sind möglich. Ein Massengeschäft ist SLB sicherlich nicht, wird aber insbesondere im Mittelstand durchaus als Alternative zum Bankkredit angesehen. Nicht nur des- halb ist beim SLB – der Begriff Sale-and-Rent-Back wäre eigentlich genauer – die Abgrenzung zu dem durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) erlaubnispflichtigen und im KWG geregelten Finanzierungsleasing besonders wichtig.
An SLB ist ein steigendes Interesse zu beobachten: Im Bereich Immobilien liege derzeit die Nachfrage nach SLB-Lösungen in Um- bruchsituationen bei »geschätzt um 20% über dem Vorjahr«, sagt etwa Christian Alpers, Partner der Beratungsgesellschaft Falken- steg, die ihre Schwerpunkte auf Corporate Finance, Restrukturie- rung, Insolvenzberatung und Real Estate hat. »Sale-and-Lease-Back von Immobilien ist besonders für Unternehmen in der Krisensitua- tion geeignet, denn es werden keine zusätzlichen Sicherheiten benötigt. Die geforderte Sicherheit stellt das Leasingobjekt selbst dar. Somit spielt die Solvenz des Verkäufers eher eine untergeord- nete Rolle.« Gerade deshalb basiere eine Transaktion im Immo- bilienbereich vor allem auf der Bewertung der Immobilie hinsicht- lich ihrer Lage, baulichen Struktur und der damit einhergehenden Drittverwendungsfähigkeit. »Insbesondere Industrial-Light-Objekte sind sehr gefragt. Das sind Mehrfunktionsgebäude, in denen die Produktion, Büros, Lager und Logistik untergebracht sind. Zudem ist die Nutzung dieser Objekte sehr wandelbar«, sagt Alpers, der den Geschäftsbereich Real Estate bei Falkensteg verantwortet.
»Immer vor, während und kurz nach wirtschaftlichen Krisen sieht man solche Transaktionen verstärkt am Markt«, bestätigt Martina Williams-Arnoldi von Jones Lang LaSalle SE (JLL). Die ersten Anfra-
gen seien 2019 mit dem Stagnieren des lang anhaltenden Wirt- schaftswachstums in Deutschland gekommen, dem anschließend ein wirtschaftlichen Abschwung mit den bekannten Auswirkungen von »Corona als Katalysator« folgte, so der JLL-Head of Corporate Solu- tions DACH + CEE weiter. »Das Industrial-Investment-Team von JLL registrierte so beispielsweise im deutschen Gesamtmarkt Indus- trial & Logistics, das hierzulande herausragende Segment für Sale-and-Lease-Back-Deals, 2018 knapp 354 Mio. Euro Transak- tionsvolumen für entsprechende Abschlüsse. Mit einsetzender wirtschaftlicher Abkühlung stieg dieser Wert 2019 fast auf das Doppelte (667 Mio. Euro). Diese Entwicklung mündete 2020 trotz Lockdown in einer weiteren Steigerung auf 880 Mio. Euro.«
Das Versprechen: Nur der Grundbucheintrag ändert sich
Auch Kathrin Westendorf, Geschäftsführerin der Impro Holding GmbH, und Hans-Christian Heier, Geschäftsführender Gesellschaf- ter der Impro GmbH, spüren »eine sehr deutliche Zunahme von Anfragen aus dem Kreis der Sanierer und Restrukturierer nach Im- mobilienbewertungen zum Zweck der Beleihung oder als Basis für Finanzierungsverhandlungen im weitesten Sinne.« Dies reiche bis 2018 zurück: Trotz sinkender Insolvenzen seien in diesem Jahr die Auftragszahlen um 16% gegenüber 2017 gestiegen. In 2019 habe es dann einen Zusatz von weiteren 15% gegeben. Westendorf: »In 2020 blieb dieses Niveau erhalten, die betroffenen Unternehmen waren jedoch größer und teilweise prominenter.«
Grundsätzlich klingt SLB nach einer einfachen Lösung: Der Ei- gentümer eines Leasingobjekts verkauft dieses an den Leasingge- ber. Gleichzeitig mietet er das Objekt zurück. Bis auf den Eigentü- mer im Grundbuch ändert sich nichts – so das Versprechen. Sollte der Leasingnehmer einen Weiterverkauf »seiner« Immobilie be- fürchten, kann er sich durch ein Vorkaufsrecht absichern. Im Fokus des Leasingnehmers steht selbstverständlich der Verkaufserlös, der direkt und kurzfristig seine Cash-Bestände erhöht und dann wäh- rend der gesamten Laufzeit des Leasingvertrags ratenweise zurück zum Leasinggeber fließt. Dadurch steht im besten Fall ausreichend Kapital zur Verfügung, um z.B. Krisensituationen zu überbrücken bzw. eine Restrukturierung zu stemmen. Der vielleicht für Unter- nehmen wichtigste Punkt: Das Objekt kann weiterhin genutzt wer- den. Zusätzlich entstehen positive Effekte für die Bilanz bzw. die

Editorial | Peter Reuter | INDat Report 05_2021 | Juli 2021

Übung macht nicht immer den Meister

Fast alle, die sich an Prognosen heranwagen und diesbezüglich Übung im Umgang mit der Zukunft haben, lagen falsch. Die Voraussagen stimmten (bisher) nicht. Die Insolvenzwelle schien ein recht sicher eintretendes Ereignis zu sein, doch davon ist nichts spüren. Erklärungen dafür gibt es nun viele, womöglich treffen sie alle in Summe zu. Die enormen staatlichen Hilfen bis jüngst zum Überbrü- ckungsgeld III Plus sind so gewaltig und deren Erlangung recht niedrigschwellig angelegt, sodass man eigentlich gar nicht so tief fallen konnte, heißt es süffisant. »Insolvenzen vermeiden« lautet auch explizit die Losung der Bundesregie- rung, aber wohl verbunden mit dem hohen Preis: Koste es, was es wolle. Wenn allerdings mit den Steuererklärungen für 2020 ein unberechtigter Bezug der staatlichen Hilfen »auf- fliegt«, kann diese Korrektur bzw. die Rückforderung wieder- um einen Effekt auf die Insolvenzzahlen haben. Der nächste Grund ist bekanntermaßen die lange Ausset- zung der Insolvenzantragspflicht, die zwar an immer engere Voraussetzung geknüpft war, die aber landläufig kaum jemand verstanden hat. Angekommen ist zumeist auch bei den Multiplikatoren nur, dass die Insolvenzantragspflicht generell ausgesetzt ist. Es gibt Vermutungen, dass man diese Fehlin- terpretation wohl billigend in Kauf genommen hat, weil es ja galt und gilt, »Insolvenzen zu vermeiden«. Die Bundesregie- rung erklärte am 15.06.2021 auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (Drs. 19/30720): »Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse dazu vor, wie viele Insolvenzen im letzten Jahr nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus beruht haben und für die die Aussetzung der Insolvenzantrags- pflicht daher bereits mangels dieser Voraussetzung nicht einschlägig war.« Im Übrigen blieb es lange bzw. mehrfach im Unklaren, ob die Insolvenzantragsaussetzung nochmals und wie großzügig verlängert wird. Die Koalitionspartner CDU/CSU und SPD hatten dazu schließlich bis zuletzt öffentlich debattiert, sodass der »zu schnelle« Geschäftsleiter dann womöglich der »Dumme« mit einem »zu frühen« Insolvenzan- trag gewesen wäre, mögen sich einige gedacht haben. Eine weitere These der Restrukturierer lautet zudem, dass viele Unternehmen wohl ein größeres Eigenkapitalpolster zur Verfügung gehabt hätten, als man vermutete. Als Erklärung zieht man auch das Antragsverhalten der vor allem institutionellen Gläubiger heran. Mit dem COVInsAG faktisch nur kurze Zeit für die Aussetzung der Fremdanträge angehalten, sprachen sich die Kassen aber großzügig für die Stundungen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen aus. Kumuliert waren das laut BMF bis Ende April dieses Jahres beim Fiskus schließlich 27,968 Mrd. Euro. Für diese betreffen- den Steuerpflichtigen hat der Fiskus im Stundungszeitraum natürlich keinen Insolvenzfremdantrag gestellt. Daran schließt sich die Vermutung an, dass die institutionellen Gläubiger darüber hinaus sehr zurückhaltend mit Fremdanträgen gewesen sein sollen, um den staatlichen Hilfsprogrammen »nicht in den Rücken zu fallen«. Dazu mehr, auch zu den Tilgungen der Stundungen, im »Hintergrund« dieser Ausgabe. Der jüngst zu beobachtende hohe Anstieg der Verbraucher- insolvenzen steht im Zusammenhang mit der Reform der Restschuldbefreiung, diese Erklärung ist naheliegend, schließlich rieten die Schuldnerberater, die seit Längerem angekündigte Einführung der quotenfreien RSB-Verkürzung auf drei Jahre abzuwarten. Die Verbraucherinsolvenzen könnten allerdings auch Ausdruck von unbemerkten Insolvenzen von Kleinstbetrieben sein, die nicht antragspflichtig sind, deren Inhaber ihr Geschäft einfach schließen und die dann später in die Verbraucherinsol- venz gehen. Hier könnten als Indikator die Gewerbeabmeldun- gen dienen. Allerdings lässt sich aus den aktuellen Zahlen noch kein Trend herauslesen. Laut Statistischem Bundesamt waren das in 2019 614.248 und im Jahr 2020 mit 541.738 weniger. In diesem Jahr bis März 2021 verzeichnet die Statistik 147.262 Ge- werbeabmeldungen, weniger als 2019, mehr als 2020. Nach letzter Einschätzung der Bundesregierung sei in 2021 von einem »deutlicher Anstieg der Insolvenzen« auszugehen. Sie fügt der Antwort vom 15.06.2021 auf die o.g. Kleine Anfrage aber hinzu: Prognosen seien aufgrund der Einzigartigkeit der Pandemie »weiterhin mit hoher Unsicherheit behaftet«.

Inhaltsverzeichnis

3
Editorial
6
Anzeigenübersicht/ Impressum
7
Statistiken
Barometer Land
8
Namen & Nachrichten Insolvenzportal wegen technischer Umstellung kurzzeitig außer Betrieb
10
Hintergrund Gläubigeranträge und Stundungen im Kontext von Pandemie und Insolvenzzahlen
11
Nachruf Klaus Siemon 1959–2021
12
Titel Sale-and-Lease-Back-Transaktionen von Gewerbe- immobilien im Restrukturierungskontext nehmen zu Immobilien zurückmieten als ein
Schlüssel zum Sanierungserfolg
22
Berater & Unternehmen Dr. Volkhard Emmrich (Dr. Wieselhuber & Partner) Als Problemlöser und Lotse Spuren hinterlassen
28
Standpunkt
Rechtsanwältin Jutta Rüdlin und Rechtsanwalt/ Dipl.-Kfm. Torsten Gutmann Betriebswirtschaftliches Profil schärfen
30
Dissertationen zum Restrukturierungs- und Insolvenzrecht Lukas Piroth, Die umsatzsteuerliche Organschaft in Krise und Insolvenz
34
Kongresse & Tagungen
Virtueller Deutscher Anwaltstag 2021 Zwei Veranstaltungen der DAV-Arge Insolvenzrecht und Sanierung Mittel und Wege des Lastenausgleichs
36
Im Gespräch RA Dr. Frank Kebekus Premiere für die Sanierungsmoderation
40
Symposien & Vorträge TMA NOW Global Summit und Paneldiskussion von TMA NOW als Onlineformate Von Vorreitern und Nachzüglern