Titel | INDat Report 05_2025 | Juli 2025

Wünsche, Vorschläge und Erwartungen der einschlägigen Verbände zum Restrukturierungs- und Insolvenzrecht in der 21. Legislaturperiode

Praxisimpulse für InsO und StaRUG aufgezeigt

Köln. Während sich das politische Berlin mit der neuen Hausleitung im Bundesjustizministerium (BMJV) und den z. T. neuen Rechtspolitikern im Deutschen Bundestag in der 21. Legislaturperiode noch im Hinblick auf Vorhaben, Pläne und Nachjustierungen im Restrukturierungs- und Insolvenzrecht sortiert und sondiert, welche Themen mit welcher Priorisierung angegangen werden oder nicht, formieren sich die einschlägigen Verbände mit Vorschlägen, Anmerkungen und weiterreichenden Überlegungen, die sie in Richtung Bundesjustizministerium und Rechtspolitiker adressieren. Bekanntermaßen enthält der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD nur zwei Aspekte mit direktem Bezug zu dieser Rechtsmaterie: die Insolvenzabsicherung von Pauschalreisen und den schon in mehreren Legislaturperioden geplanten Insolvenzschutz des Käufers in der Bauträgerinsolvenz. Allerdings stehen alle europarechtlichen Projekte, die generell für die Justiz angestoßene Digitalisierung sowie Evaluierungsaufträge des deutschen und europäischen Gesetzgebers fest auf der Agenda. Diese Projekte bedürfen indes inhaltlicher Klärungen und politischer Positionierungen. Der INDat Report befragte die Vorsitzenden bzw. Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung (AGIS) im DAV, des Bundesarbeitskreises Insolvenz- und Restrukturierungsgerichte (BAKinso e. V.), des Gravenbrucher Kreises (GK), der Neuen Insolvenzrechtsvereinigung Deutschlands e. V. (NIVD), des Verbands Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e. V. (VID) und der Gesellschaft für Restrukturierung TMA Deutschland e. V. nach ihren Wünschen und Empfehlungen für die 21. Legis­laturperiode. In den Statements der Verbände gibt es zumindest bei einigen anzugehenden Projekten eine große Schnittmenge, aber bei den jeweiligen Umsetzungen kommt es mitunter zu fachlichen Meinungsverschiedenheiten. 

Text/Interviews: Peter Reuter

Wer nüchtern feststellt, dass das zum 01.01.2021 eingeführte StaRUG in der Praxis angekommen ist, transportiert mit diesem Statement noch nicht, welchen hohen Stellenwert die Module des Restrukturierungs- und Stabilisierungsrahmens (gemeint sind die RES-Sachen) für viele Praktiker und deren Kanzleien heute einnehmen. Deren Anliegen ist – gemeint sind vor allem die in diese Fälle eingebundenen Berater –, diese Werkzeuge zur vorinsolvenzlichen Restrukturierung noch weiter zu optimieren. »Focus on StaRUG first« heißt daher die Devise von TMA Deutschland im Rahmen der eingeläuteten Evaluationsphase, deren Auftakt das von den Kanz­leien Freshfields und Willkie am 06.05.2025 in Hamburg veranstaltete Symposium gebildet hat (siehe dazu den Bericht auf S. 38), gefolgt u. a. von einer vom Gravenbrucher Kreis initiierten Gesprächsrunde am 10.06.2025 mit den einschlägigen Verbänden, wofür der Verwalterzusammenschluss an die Teilnehmer eine 28-seitige Evaluierung des StaRUG aus Sicht des Kreises versandt hatte (ZRI 2025, 549). Wie auf dem Deutschen Insolvenzrechtstag im April dieses Jahres schon im vorläufigen Stadium vorgestellt, bereitet der DAV-Gesetzgebungsausschuss Insolvenzrecht einen Evalua­tionsbericht vor, der im Spätsommer dieses Jahres vorliegen soll. Die Verbände VID und TMA erarbeiten jeweils einen solchen Bericht in ihren Gremien, der BAKinso e. V. befragt derzeit seine Mitglieder.

Überlegungen zum StaRUG in der Evaluationsphase

»Die Änderungsvorschläge des Gravenbrucher Kreises beziehen sich auf die Einfügung eines übergeordneten Verfahrenszwecks und eines Vorgesprächs analog §  10a InsO sowie die Änderung der Regelungen über die Vergleichsrechnung im darstellenden Teil des Restrukturierungsplans, den Ausschluss des Bezugsrechts von Anteilsinhabern, die Erklärung zur drohenden Zahlungsunfähigkeit, die erforderlichen Mehrheiten bei der Planabstimmung, die Anzeige des Restrukturierungsverfahrens, die Einbeziehung streitiger Forderungen in den Restrukturierungsplan und die Aufgaben und Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten«, fasst GK-Sprecher RA Stefan Denkhaus die wesentlichen Punkte des 28-seitigen ­Papiers zusammen. Der Frage, ob denn nicht mehr nat. Personen die StaRUG-Werkzeuge nutzen können sollten – nach Erhebung von ZEFIS/INDat waren es in 2022 7 % der Fälle, in 2023 10 % der Fälle und in 2024 13 % der Fälle –, steht er skeptisch gegenüber. »Der komplexe Verfahrensrahmen bedarf spezialisierter Berater, um die gewünschten Erfolge zu erzielen. Die damit verbundenen Kosten werden eine drohend zahlungsunfähige nat. Person häufig überfordern.« Es sei zu erwarten, dass nat. Personen als restrukturierungsfähige Personen nach dem StaRUG höchstens eine Randerscheinung bleiben werden. Eine Entschuldung, wie es die Richtlinie (EU) 2019/1023 nach Art.  20 Abs.  1 fordert, bleibe dem Unternehmer zum wirtschaftlichen Neustart über das Regelinsolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung unbenommen.

Es gebe Aspekte für künftige Änderungen, die Stand heute bereits einen breiten Konsens in der Diskussion gefunden haben, sagen die TMA-Vorsitzende RAin Dr. Dorothee Prosteder sowie die Sprecher des Facharbeitskreises Restrukturierungsrecht, RA Frank Grell und RA Dr. Marvin Knapp, wie die Klarstellung der Entbehrlichkeit von Gesellschafterbeschlüssen in Fällen, in denen das StaRUG die einzige Alternative zur Insolvenz ist. »Auch der Bezugsrechtsausschluss als Instrument im Werkzeugkasten des StaRUG ist der Sanierung zuträglich und Versäumnisse der (ggf. auch vormaligen) Geschäftsleitung, im Vorfeld des Restrukturierungsverfahrens um Finanzierungsbeiträge der Gesellschafter zu ersuchen, dürften eher ein Thema sein, das im Rahmen der Geschäftsleiterhaftung beantwortet werden kann – sei es bereits über §  1 StaRUG oder im Rahmen des ebenso diskutierten Shift of Fiduciary Duties.« Forderungen nach einer Einschränkung der Eingriffsmöglichkeit in Gesellschafterrechte lehne die TMA Deutschland ab, sie seien nicht notwendig und stellten die Rangigkeit von Eigenkapital und Fremdkapital auf den Kopf. Eine abschließende Stellungnahme erfolge durch den Facharbeitskreis Restrukturierungsrecht.

Für die AGIS im DAV erklären deren Vorsitzende RAin Dr. Anne Deike Riewe und RA Dr. Rainer Eckert, dass die Mitglieder das StaRUG als zunehmend etabliert, aber zugleich weiterhin als reformbedürftig einschätzen. »In der Praxis bestehen offene Fragen insbeson­dere zu den Handlungspflichten der Geschäftsleiter und der Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses, bei der Auswahl der Planbetroffenen und der Gruppenbildung, bei der Vergleichsrechnung, der Einbeziehung von Gesellschaftern einschließlich des Bezugsrechtsausschlusses sowie der internationalen Anerkennung.« Des Weiteren würden derzeit die Aufgaben und die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten und die weitere Konzentration der Gerichtszuständigkeiten oft als zu evaluierende Themen benannt. Eine vermehrte Nutzung des StaRUG durch nat. Personen stellt aus Sicht der AGIS keinen Selbstzweck dar, sondern es müssten die geeigneten Konstellationen der Unternehmersanierung erfasst werden. Hier würden derzeit in der Praxis Erfahrungen gesammelt. »Bei Nachjustierungen achten wir gerade auch im Sinne der Nutzbarkeit des Rahmens durch KMU und nat. Personen auf realistische Zugangshürden sowie klarere gesetzliche Vorgaben, die den Einstieg transparenter machen.«

(…)

Inhaltsverzeichnis