Titel | INDat Report 06_2025 | August 2025
Halbjahresstatistik 2025 und Redaktion
» Unternehmensinsolvenzverfahren vom 01.01.2025 bis 30.06.2025
Bestellungen an allen Insolvenzgerichten, Rankings der Verwalter und Kanzleien nach Bestellungen und nach Umsätzen
» Die junge Verwaltergeneration: RAin/StBin Saskia Hübner (BRL)
Der »Feuerwehreinsatz« am Limit
» Insolvenzgeschehen in Österreich im 1. Halbjahr 2025
»Weltweit führende Sanierungs- und Auszahlungsquoten«
» Kongresse, Symposien und Praktikerforen
NIVD-Frühjahrsdialog, KI- und Cybertag, Mannheimer Insolvenzrechtstag, Düsseldorfer Insolvenztage und Kieler Insolvenzsymposium
Kongresse & Tagungen
Verfügungen im vorläufigen Verfahren praxisgerecht aufbereitet
Mannheim. Zum Jubiläum seines 20-jährigen Bestehens lud das Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim e. V. (ZIS) am 27.06.2025 zum 20. Mannheimer Insolvenzrechtstag in die Aula der Universität Mannheim ein. Aufgrund des Jubiläums durften sich die rd. 120 Teilnehmer in diesem Jahr neben Vorträgen und einer Podiumsdiskussion dreier Besonderheiten, namentlich der Verleihung des ersten ZIS-Nachwuchspreises Insolvenzrecht, des Auftritts des Special Guest Sven Hieronymus alias »Der Rocker vom Hocker« sowie der Verköstigung mit dem besten Sekt aus der Pfalz, erfreuen.
Text: Rechtsanwältin Dr. Franziska Kramer und Fabienne Stadler, beide Ashurst LLP
Neben einigen organisatorischen Ankündigungen begrüßte Gastgeber und ZIS-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Georg Bitter traditionsgemäß die rd. 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 20. Mannheimer Insolvenzrechtstags und hob die Bedeutung des ZIS hervor. Es habe sich seit seiner Gründung vor 20 Jahren – insbesondere durch die Förderung des Austauschs zwischen Wissenschaft und Praxis – zum maßgeblichen Player in der Insolvenz- und Sanierungsszene entwickelt und sei als solcher nicht mehr wegzudenken. Dem ZIS-Vorstand gehören vier weitere Mitglieder an, den wiederum ein neunköpfiger wissenschaftlicher Beirat unterstützt.
Im ersten Vortrag zum Thema »Anfechtung von Sicherheiten« stellte VorsRiBGH Prof. Dr. Heinrich Schoppmeyer die systematischen Grundsätze und Besonderheiten, die es bei der Anfechtung von Sicherheiten zu beachten gilt, dar. Den Rahmen der Ausführungen bildete das Urteil des BGH vom 19.09.2024 (IX ZR 217/22), anhand dessen Schoppmeyer nach der Darstellung des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts – unter Einbeziehung weiterer Entscheidungen des BGH – Ausführungen u. a. zu den »Schlaglichtern« Zeitpunkt der Rechtshandlung, Gläubigerbenachteiligung sowie (In-)Kongruenz und (Un-)Entgeltlichkeit von Sicherheiten machte. Auf Letzterem, der (Un-)Entgeltlichkeit von Sicherheiten, lag – im Einklang mit dem den Rahmen des Vortrags bildenden Urteil – ein besonderes Augenmerk. So sei die Bestellung einer Sicherheit für eine eigene, durch eine entgeltliche Gegenleistung begründete Verbindlichkeit auch dann nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar, wenn sie nachträglich bestellt wird. Die Besicherung einer fremden Schuld sei hingegen grundsätzlich unentgeltlich, wenn nicht ausnahmsweise der Sicherungsgeber aufgrund einer entgeltlich begründeten Vereinbarung zur Bestellung verpflichtet ist oder der Sicherungsnehmer für die Zuwendung des Sicherungsgebers eine ausgleichende Gegenleistung (an den Schuldner oder einen Dritten) erbringt. Eine solche Gegenleistung für die nachträgliche Bestellung einer neuen Sicherheit könne aber nicht darin gesehen werden, dass eine zuvor für die gleiche Verbindlichkeit bestellte Sicherheit eine entgeltliche Sicherheit darstellte. Die Entgeltlichkeit einer neu bestellten Sicherheit ergebe sich gerade nicht allein daraus, dass eine zuvor für die gleiche Verbindlichkeit bestellte Sicherheit eine entgeltliche Leistung darstellte, vielmehr komme es auch in diesem Fall darauf an, ob der Gläubiger eine ausgleichende Gegenleistung erbringt.
Darauf folgten die Ausführungen von Prof. Dr. Georg Bitter zum Thema »Streitige Forderungen bei der Feststellung der Insolvenzgründe«. Den Anlass für den Vortrag bildete das Urteil des BGH vom 23.01.2025 (IX ZR 229/22), in dem dieser entschieden hat, sowohl im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens als auch bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit könnten streitige Forderungen berücksichtigt werden. Bitter stellte zunächst die bisherige Rechtsprechung des BGH dar: In dem Fall, dass der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abzuleiten war, musste diese Forderung, wenn sie bestritten war, für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (beispielsweise durch ein vollstreckbares Endurteil oder die Vorlage einer vollstreckbaren Urkunde i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Ein vorläufig vollstreckbares Urteil genügte – im Widerspruch zum genannten aktuellen Urteil des BGH – gerade nicht. Dieser bisherigen Rechtsprechung schließt sich der Referent an. Ein Vollstreckungstitel über eine bestrittene Forderung reiche im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens nur dann als Nachweis der Forderung aus, wenn er nur noch beschränkt im Wege der Vollstreckungsgegenklage oder mit vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Instrumenten angegriffen werden kann, nicht aber schon dann, wenn lediglich ein vorläufig vollstreckbares, nicht rechtskräftiges Urteil oder sogar nur ein Vollstreckungstitel ergangen ist, den sich ein Träger der öffentlichen Verwaltung ohne gerichtliche Prüfung selbst geschaffen hat. Dies gelte auch bei der im Rahmen des § 17 InsO aufzustellenden Liquiditätsbilanz: Auf der Aktivseite seien bestrittene Forderungen schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil hier die Prognose tatsächlicher Zuflüsse entscheidend sei. Bestreitet der Schuldner eine Forderung, ist der (zeitnahe) Eingang einer Zahlung aber gerade nicht zu erwarten. Auf der Passivseite sei eine Forderung dagegen zu berücksichtigen, wenn der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss. Je nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme seien Abschläge vom Nominalwert der Forderung zu machen. Ein vorläufig vollstreckbares Urteil erhöhe den Grad der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme. Im Überschuldungsstatus seien streitige Forderungen auf der Aktiv- und Passivseite jeweils anzusetzen, wenn und soweit in einem Gerichtsprozess (des Schuldners oder gegen den Schuldner) ernsthaft mit ihrer Realisierung zu rechnen ist. Diese Ansicht hätte nach Meinung der Autorinnen auch für die Beratungspraxis erhebliche Bedeutung, da sie dem Management (vor allem dem handelnden CFO) Gestaltungsspielräume nicht nur bei der Frage erlaubt, in welcher Höhe streitige Forderungen im Liquiditätsstatus und in der Überschuldungsbilanz anzusetzen sind, sondern z. B. auch bei Garantieforderungen, bei denen nur mit einer Teilinanspruchnahme zu rechnen ist. (…)