Titel | INDat Report 07_2024 | September 2024
Temporärer Eigentümerwechsel soll nach Restrukturierung und Transformation Unternehmenswert steigern und Beraterkosten minimieren
Rettungsgesellschafter als aktive Problemlöser
Köln. Die Werkzeuge und Optionen der Berater in Transformations-, Restrukturierungs- und Insolvenzkontexten sind zahlreich, doch offenbar gibt es für bestimmte Konstellationen – z. B. bei Konzernsachverhalten – eine Lücke, die weitere ausgewiesene Praktiker jüngst und offenbar unabhängig voneinander dazu veranlasst haben, mit einem neuen Angebot aktiv in den Markt zu gehen. Diese Offerte ist im Detail je nach Anbieter zwar unterschiedlich angelegt und ausgestaltet, aber im Grunde weist sie entscheidende Gemeinsamkeiten auf: Es geht um das Angebot und den Einsatz eines aktiven Restrukturierungsgesellschafters, der mehrheitlich eine in der Krise oder vor anderen unternehmerischen Herausforderungen befindliche Gesellschaft unter i. d. R. einvernehmlicher Einbindung der Altgesellschafter temporär übernimmt, um sie mit eigener praktischer Expertise und möglichst ohne weiteren externen Beratereinsatz wieder problem- und krisenbereinigt sowie wertgesteigert in den Markt und wenn gewünscht bzw. möglich an die Altgesellschafter zurückführt. Das neue Angebot, für das es Bezeichnungen wie z. B. Shareholding as a Service (ShaaS), Value Creation, Restructuring Shareholding oder schlicht Rettungsgesellschafter gibt, zielt mit der vollständigen Ausgliederung der betroffenen Gesellschaften u. a. auch darauf ab, Imageschäden für Konzerne abzuwenden oder ein drohendes Insolvenzverfahren zu verhindern, und kann anders als die StaRUG-Module auch operative Maßnahmen zur Anwendung bringen. Bei den Anbietern dieses elegant und flexibel wirkenden Modells handelt es sich durchaus um ausgewiesene Restrukturierungspraktiker, das sind u. a. RAin Dr. Sylwia Bea-Pulverich (Norton Rose Fulbright) und Dipl.-Kfm. Dr. Florian Dausend (Cornelius), RA Dr. Jan Markus Plathner und RA/StB Dr. Christoph Morgen von Atlantik Advisors, Tammo Andersch und Mirko Liebthal mit ihrer neuen Boutique Andersch Liebthal, WP/StB Arndt Geiwitz und Dirk Pahlke mit der neu gegründeten SGP Partner Principal Solutions GmbH sowie Dr. Gerd Sievers und Hermann Reitze von der HF Opportunities GmbH. Die hinter ihnen stehenden Teams und Netzwerke bringen sie fallbezogen in diese Projekte mit ein. Alle Modelle werben auch direkt oder indirekt damit, dass sich die z. T. horrenden Beraterkosten einsparen ließen, die kriselnde Unternehmen mitunter noch mehr in den Strudel ziehen können.
Text: Peter Reuter
Sie kennen alle Werkzeuge und Optionen in Transformationsprozessen und Restrukturierungssituationen bei großen Unternehmen sowie Konzernen und haben sie in vielen Fällen zur praktischen Anwendung gebracht, seien es die sog. freie Sanierung, Carve-outs, doppelnützige Treuhandschaften und andere Treuhandkonstrukte, die StaRUG-Module und die Drohung mit der StaRUG-Anzeige, die Eigenverwaltung und das Regelinsolvenzverfahren im nationalen wie im grenzüberschreitenden Zusammenhang. Nun haben die genannten Restrukturierungsakteure aus Erfahrungswerten ihrer Verfahren, Fälle und Mandate sowie aus ihrer Marktbeobachtung erkannt, dass es offenbar eine Lücke im Instrumentarium im Umgang mit Sondersituationen und Veränderungsprozessen gibt. Es gilt dabei auch stets, das schlimmstmögliche Szenario, die Insolvenz bzw. das Insolvenzverfahren, zu verhindern, aber ebenfalls, bereitwillige Altgesellschafter in Sondersituationen einzubinden und sie am Erfolg partizipieren zu lassen. In Umbruch- und Krisenfällen kann Altgesellschaftern bekanntermaßen leicht drohen, dass sie hinausgedrängt und nicht in die Veränderungsprozesse, die z. B. das Geschäftsmodell zukunftssicher aufstellen, eingebunden werden.
»Aus unserer Sicht schließt die doppelnützige Treuhand bzw. ShaaS – wir nennen das Produkt ›Shareholding in Special Situations‹ oder ›Restructuring Shareholding‹ – eine Lücke, in der die an der Restrukturierung beteiligten Stakeholder eine Sanierung des Unternehmens unterstützen wollen, aber das Erfordernis sehen, die Entscheidungskompetenz auf Ebene des Shareholders auf einen erfahrenen Restrukturierer zu übertragen«, erklären RA/StB Dr. Christoph Morgen und RA Dr. Jan Markus Plathner (beide Brinkmann & Partner) von der Atlantik Advisors GmbH & Co. KG. Ziel sei es dabei regelmäßig, das Unternehmen entweder zu verkaufen oder im Fall der doppelnützigen Treuhand die Anteile nach einer erfolgreichen Restrukturierung wieder auf den Shareholder zurückzuübertragen. »Wir haben in der Vergangenheit festgestellt, dass eine Vielzahl von Restrukturierungen genau an diesem Punkt gescheitert sind: Eigentlich sind die Finanzierer oder andere Beteiligte bereit, das Sanierungskonzept umzusetzen. Allerdings verlangt man gleichzeitig, dass der Sanierungsprozess neben einem CRO durch einen restrukturierungserfahrenen und objektiven Gesellschafter – oder ggf. auch doppelnützigen Treuhänder – begleitet und geleitet wird. Aus diesem Grunde bieten wir sowohl ShaaS als auch die doppelnützige Treuhand schon seit Langem an.« Bereits vor mehr als zehn Jahren habe man in einer damals neuen und innovativen Struktur ein zuvor börsennotiertes Unternehmen über einen Insolvenzplan aus der Insolvenz übernommen und dann als Restrukturierungsgesellschafter bis zum Exit gehalten. »Insofern haben wir bereits sehr früh den Bedarf erkannt und ShaaS in unser Leistungsspektrum aufgenommen. Aufgrund der derzeit hohen Nachfrage nach dieser Leistung bieten andere Marktteilnehmer diese Leistung nunmehr auch an.«
Mit der Bezeichnung »Shareholding as a Service« (ShaaS) haben RAin Dr. Sylwia Bea-Pulverich (Norton Rose Fulbright) und Dipl.-Kfm. Dr. Florian Dausend (Cornelius) sowohl in einer Publikation Anfang 2022 als auch in einer Präsentation auf der Handelsblatt Jahrestagung Restrukturierung im Mai 2022 dieses Restrukturierungsmodell vorgestellt, wobei Bea-Pulverich bei den gemeinsamen ShaaS-Projekten für die rechtliche Beratung und Dausend für die betriebswirtschaftlichen Aspekte zuständig ist. »Das Modell Shareholding as a Service ist strukturell in verschiedenen Situationen und Ausgestaltungsformen denkbar, denen jedoch gemeinsam ist, dass sich ein Unternehmen in einer Sondersituation befindet, die mittels eines temporären Eigentümerwechsels überwunden werden soll, wobei der neue Eigentümer – der Shareholding-as-a-Service-Provider – die hierfür erforderliche besondere Expertise mitbringt.« Im Gegensatz zu einem Investor investiere der ShaaS-Provider kein eigenes Kapital und habe als Serviceprovider keine Renditeerwartung. Anders als bei einer doppelnützigen Treuhand sei ShaaS in den meisten Fällen keine durch Gläubiger initiierte Struktur, sondern wird aufgrund einer strategischen Entscheidung der Altgesellschafter eingeleitet, erläutern Bea-Pulverich und Dausend. »Aus Perspektive des bisherigen Gesellschafters bietet sich die ShaaS-Struktur an, da eine sofortige Entkonsolidierung bei gleichzeitiger Beibehaltung gewisser Einflussmöglichkeiten erreicht wird und der Altgesellschafter an einem Restrukturierungs- bzw. Transformationserfolg partizipieren kann.«
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