Titel | INDat Report 08_2023 | Oktober 2023

Vorschläge und Anregungen für eine höhere Akzeptanz der Sanierungsmoderation am Restrukturierungsstandort Deutschland

Sanierungsmoderation – (Noch) mehr Conciliation wagen?

Achern/Berlin. Nach Inkrafttreten des StaRUG zum 01.01.2022 hatte die damalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht im Interview mit dem INDat Report (Ausgabe 02_2021) die Hoffnung geäußert, dass das neu geschaffene Tool der Sanierungsmoderation das Interesse der Praxis wecken würde. Das ist bisher mitnichten der Fall, sind doch die Fallzahlen verschwindend: ­Im Jahr 2021 gab es nur sechs eingeleitete Sanierungsmoderationen, im Jahr darauf nur drei. Viele der großen Restrukturierungsgerichte haben somit noch keinen einzigen Sanierungsmoderator ernannt. Nachdem das StaRUG und der Restrukturierungsplan in der Sanierungspraxis angekommen zu sein scheinen, muss festgestellt werden, dass die Nachfrage nach einer Strukturierung rein konsensualer Sanierungsgespräche durch einen Moderator bisher in Deutschland gegen null tendiert. Der aktuelle Bundesjustizminister Marco Buschmann leitet daraus im Interview mit dem INDat Report (Ausgabe 02_2023) noch keinen Bedarf für Nachjustierungen ab. Letztere müssten »dem Verfahren höheren Zuspruch bescheren […], ohne zugleich seinen Grundansatz infrage zu stellen, denn dieser liegt ja darin, den Beteiligten einen auf allseitige Freiwilligkeit setzenden Rahmen anzubieten«.

Lohnt sich hier ein weiterer Blick nach Frankreich auf das Erfolgsmodell Conciliation, welches für die Einführung der Sanierungsmoderation in Deutschland bereits Pate gestanden hat? Welche (gesetzlichen) Nachbesserungen in den §§  94–100 StaRUG könnten bei der Sanierungsmoderation zu einer höheren Akzeptanz am Restrukturierungsstandort Deutschland führen? 

Text: Rechtsanwalt und Avocat (AMCO) Patrick Ehret, DEA (Strasbourg III), und Rechtsanwalt Dr. Jürgen Erbe, MBA, beide Schultze & Braun

Erfolgsmodell Präventivverfahren in Frankreich

Die Präventivverfahren des Mandat ad hoc und der Conciliation sind seit Einführung Letzterer im Jahr 2005 ein wesentlicher Bestandteil des französischen Restrukturierungswerkzeugkastens. Die Zahlen sprechen für sich. Nach der von der französischen Insolvenzverwalterkammer CNAJMJ veröffentlichten Statistik wurden im Jahr 2022 7398 Präventivverfahren eröffnet. Davon waren 4919  Mandat-ad-hoc- und 2479 Conciliation-Verfahren. Die Verfahrenszahlen stellen einen Höchststand dar, waren sie doch seit 2007 stetig gestiegen und erreichten 2017 erstmals die Schwelle von 3000 und 2018 von 4000 Verfahren.

In den ersten acht Monaten des Jahres 2023 liegt die Zahl der eröffneten Präventivverfahren bei 3963, dabei nimmt der Anteil der Mandat ad hoc tendenziell zugunsten der Verfahren der Conciliation ab. Betrafen 2022 noch 82 % aller Präventivverfahren Unternehmen mit bis zu zehn Arbeitnehmern, so sind es in den ersten drei Trimestern nur noch 77,2 %, tendenziell betreffen die Verfahren der Conciliation mehr Unternehmen mit über zehn Arbeitnehmern. So betrafen im ersten Trimester 2023 32 % der Conciliation-Verfahren Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmer und 9,6 % (2. Trimester: 11 %; 3. Trimester: 10 %) mit mehr als 50 Mitarbeitern. Durchschnittlich umfassen Conciliation-Verfahren 18 Mitarbeiter. Schließlich wird die Conciliation auch von Großunternehmen genutzt, wie beispielsweise das derzeitig anhängige Verfahren der Groupe Casino und die anvisierte Restrukturierung der Bank- und Schuldverschreibungsverbindlichkeiten in Höhe von 6,4  Mrd.  Euro (und weitere 3 Mrd. Euro seitens der Muttergesellschaft Rallye) anschaulich belegen.

70–75 % der Präventiverfahren führen zu einer einvernehmlichen Lösung und somit zu einem erfolgreichen Abschluss. Auch sollen lediglich 30 % der Unternehmen nach erfolgreichem Abschluss eines Conciliation-Verfahrens im Nachgang Insolvenzantrag gestellt haben. Der Erfolg und die Attraktivität des Verfahrens der Conciliation stehen im Wesentlichen mit den folgenden Faktoren in Zusammenhang:

  1. Konsensuales Schlichtungsverfahren als

Alternative zum Insolvenzantrag

Der Antrag auf Bestellung eines Schlichters (Conciliateur) seitens des Unternehmens in der Krise – daher konfrontiert mit rechtlichen, wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten – ist dann statthaft, wenn das Unternehmen nicht mehr als 45 Tage materiell insolvent ist. Die Bezeichnung als Präventivverfahren ist daher zumindest missverständlich. Die Frist entspricht der Insolvenzantragspflicht nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (cessation des paiements), die zwar nicht strafbewährt ist, aber doch als sog. Geschäftsführungsfehler zu einer zivilrechtlichen Haftung führen kann. Die Insolvenzantragspflicht greift allerdings nur, wenn im besagten Zeitraum kein Antrag auf Eröffnung eines Conciliation-Verfahrens gestellt worden ist. Praktisch kann der Schuldner daher zwischen einem Sanierungs(insolvenz)verfahren und dem Schlichtungsverfahren wählen, sofern eine Karenzzeit von drei Monaten seit dem Ende des letzten Schlichtungsverfahrens vergangen ist. Allerdings hat das Unternehmen nachzuweisen, dass während des vier- bzw. ggf. fünfmonatigen Verfahrens die laufenden Verbindlichkeiten insbesondere gegenüber Lieferanten und der eigenen Belegschaft bedient werden können. Da mit der Bestellung des Schlichters kein Moratorium einhergeht, wird Letzterer in der Regel von den beteiligten Gläubigern für die Dauer des Verfahrens den Abschluss einer Stand-Still-Vereinbarung verlangen und typischerweise auch erhalten. Geschieht dies ausnahmsweise nicht, können auf Antrag des Schuldners ein Vollstreckungsverbot sowie eine Stundung oder Ratenzahlung über den Zeitraum von bis zu zwei Jahren angeordnet werden.

  1. Auswahl und Bestellung des Schlichters

Dem Unternehmen in der Krise wurde ausdrücklich ein Vorschlagsrecht eingeräumt, sodass der Antragsteller »seinen Moderator mitbringen kann«. In der Praxis handelt sich dabei nahezu ausschließlich um Mitglieder der französischen Insolvenzverwalterkammer, die im Übrigen entweder als Fortführungsverwalter oder als Abwicklungsverwalter in Insolvenzverfahren tätig sind. Voraussetzung der Bestellung ist allerdings, dass der Schlichter  – außer im Rahmen eines etwaigen vorherigen Schlichtungsverfahrens  – in den vergangenen 24 Monaten keine Zahlungen mittelbar oder unmittelbar vom Schuldner oder von einem beteiligten Gläubiger erhalten hat. Sofern das Gericht dem Vorschlag ausnahmsweise nicht nachkommt, hat der Antragsteller die Möglichkeit, einen Befangenheitsantrag gegen den Schlichter zu stellen. Entsprechend §  99 Abs.  1 Nr. 1 StaRUG kann der Schuldner das Verfahren jederzeit beenden. (…)

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