Titelthema | Peter Reuter | INDat Report 09_2017 | Dezember 2017

Jahresrückblick auf 2017

Köln. Ereignisse, Entwicklungen und Entscheidungen aus dem zurückliegenden Jahr in einen kurzen Überblick zu fassen, kann nur bedeuten, einen Ausschnitt abbilden zu können. Weichenstellungen und Veränderungen für die Praxis des Restrukturierungs- und Insolvenzgeschehens erfolgen häufig durch Gesetzesänderungen, die dieses Jahr beschlossen und z. T. schon in Kraft getreten sind sowie Erwartungen für die Zeit nach Inkrafttreten auslösen. Das sind die Reform des Insolvenz­anfechtungsrechts und die Reform des Konzerninsolvenzrechts. Beherrschend war der diskutierte RLE zu präventiven Restrukturierungsrahmen, weil er neben einem neuen Sanierungstool, um dessen (nationale) Ausgestaltung noch gerungen wird, auch neue und veränderte Aufgaben für die Akteure bedeutet. Der Verwalterkanzleimarkt ist auch infolge des RLE weiter in Bewegung, Konzentration bedeutet häufig Verkleinerung, den Mix aus Verwaltung und Beratung streben viele Sozietäten an. Besorgnis löste der »doppelt« vom BFH gekippte Sanierungserlass aus, für den es dieses Jahr keine nachhaltige Lösung gegeben hat und der die Praxis stark verunsichert. Bei der Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht ist man dieses Jahr keinen Schritt weitergekommen, während sich das ESUG weitgehend etabliert, wobei sich Regelungslücken herauskristallisieren. Vor allem zwei Insolvenzverfahren haben für Aufsehen gesorgt, deren Krisen sich seit Längerem abzeichneten: zum einen SolarWorld, zum anderen Air Berlin. Insgesamt war das zurückliegende Jahr aber (wieder) von rückläufigen Verfahrenszahlen und weniger Beratungsmandaten geprägt.

Januar
1.01. Berlin. Der Gravenbrucher Kreis lädt Vertreter aus dem BMJV, von Banken, des DAV, des VID und von TMA sowie von Justiz und Wissenschaft ein, um über den RLE für präventive Restrukturierungsrahmen zu diskutieren. Mit neun Thesen werden die GK-Überlegungen vom 23.05.2016 aktualisiert. 12.01. Karlsruhe. Der BGH stellt fest, (IX  ZR  87/16), dass der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters nach dem SchVG keine Masseverbindlichkeit
im Rang des §  55 InsO darstellt.

12.01. Handewitt. Das AG Flensburg hebt die EVW über die Nordwacht Sicherheitsdienst GmbH (Sanierungsgeschäftsführer RA Justus von Buchwaldt, BBL; Sachwalter RA Peter-Alexander Borchardt, Reimer Rechtsanwälte) auf. Die Arbeitsplätze der 320 Mitarbeiter bleiben erhalten.

16.01. Berlin. Das BMJV setzt seine Gesprächsrunde zum Europäischen Insolvenzrecht und zum RLE fort. Die etwa 30 Vertreter aus der Insolvenz- und Restrukturierungsbranche behandeln konkrete Änderungsbedürfnisse am RLE. Auch die drei deutschen Berater der EU-Kommission zum RLE nehmen an der Sitzung teil.
16.01. Ludwigsburg. Sechs operative Gesellschaften der Kontec Gruppe, Engineering-Dienstleister in den Bereichen Automotive, Maschinenbau und Medizintechnik mit 280 Mitarbeitern, reichen beim AG Ludwigsburg Anträge auf Schutzschirm­verfahren bzw. vorläufige EVW ein, denen das Gericht stattgibt. (Vorläufiger) Sachwalter wird RA Martin Mucha (Grub Brugger). Der Geschäftsleitung steht ein Team von Rödl  & Partner um RA Raik Müller zur Seite. Zum 01.04.2017 eröffnet das Gericht die Verfahren und bestätigt Mucha als Sachwalter. Nach dem Scheitern der Eigenverwaltung am 13.07.2017 greift Verwalter Mucha auf den gestarteten Dual-Track-Prozess zurück. Im September erfolgt die Übertragung des Kerngeschäfts an RLE International.

16.01. Meiningen. Die Rege Motorenteile GmbH, die in Deutschland und Rumänien 1100 Mitarbeiter beschäftigt, stellt beim AG Meiningen Insolvenzantrag. (Vorläufiger) Verwalter wird RA Rüdiger Weiß (Wallner Weiß), die Eröffnung erfolgt am 01.04.2017. Im internationalen Bieterverfahren kristallisieren sich vier potenzielle Investoren heraus, die keine Standortschließungen planen. Der Verkauf soll zum Jahreswechsel erfolgen. Der Zuschlag geht an den US-Automobilzulieferer JD Norman Industries, der die Standorte und alle Arbeitsplätze erhalten will. Das Unternehmen hatte 2008 der PE-Investor Equivest übernommen, dessen Geschäftsanteile 2015 an die Amtek-Gruppe gingen.

25.01. Chemnitz/Zittau. Nach fast einjähriger Betriebsfortführung finden die Verwalter RA Rüdiger Wienberg und RA Kai Dellit (beide hww) einen Investor für den sächsischen Automobilzulieferer Kunze Gruppe. Alle 400 Mitarbeiter sollen übernommen und die drei Standorte fortgeführt werden. Die Insolvenzanträge erfolgten am 10.02.2016. Die Investoren­suche begleitete Saxenhammer & Co. Corporate Finance.
26.01. Karlsruhe. Der BGH verschärft in seinem Urteil vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) die Haftung von Steuerberatern in der Insolvenz. Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater ist verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten zeigen, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Der Steuerberater hat den Mandanten auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht seines Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife dem Mandanten nicht bewusst ist.

27.01. Amsterdam. Rund 250 Teilnehmer besuchen die Konferenz »EYES on Insolvency« in Amsterdam, die im Großen wie in Details mögliche und vorhandene vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren im Rahmen des RLE beleuchtet. Viele Tagungen und Symposien dieses Jahres setzen den Schwerpunkt auf den RLE, den die EU-Kommission am 22.11.2016 veröffentlicht hat und der seit Anfang 2017 in deutscher Sprache vorliegt.

27.01. Brüssel. Beim informellen Treffen des Europäischen Rates (Justiz und Inneres) stoßen die Vorschläge zum RLE für präventive Restrukturierungsrahmen bei den Ministern grundsätzlich auf breite Zustimmung. Wichtig sind ihnen ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Schuldner- und Gläubigerinteressen und ein gewisses Maß an nationaler Flexibilität, damit nicht in effizient funktionierende nationale Systeme eingegriffen wird.
30.01. Köln. Die Butlers GmbH & Co. KG stellt Insolvenzantrag beim AG Köln, RA Dr. Jörg Bornheimer (Görg) wird (vorläufiger) Insolvenzverwalter. Butlers beschäftigt 1000 Mitarbeiter in über 100 Filialen in Deutschland und im Ausland. Acht Monate später hebt das Gericht die beiden Verfahren auf. 800 Arbeitsplätze und 77 Filialen in Deutschland bleiben mittels Insolvenzplans erhalten. Als Berater von Butlers waren RA Dr. Jens Schmidt und RAin Marion Rodine (beide RSW) tätig, als M&A-Berater fungierte FalkenSteg.

30.01. Aachen. Acht Monate nach Insolvenzantrag verkauft Verwalter RA Dr. Mark Boddenberg (Dr. Ringstmeier & Kollegen) die Kronenbrot KG Franz Mainz mit Sitz in Würselen, die 1100 Mitarbeiter beschäftigt, an von Signal Capital Partners in London beratene und finanzierte Fonds. Graf von Westphalen & Partner hat den Verwalter bei der übertragenden Sanierung beraten.

31.01. Leipzig. Der Betriebsübergang des Travel-Geschäfts von Unister an den internationalen Investor Rockaway Capital SE wird vollzogen. 520 Arbeitsplätze und der Unternehmensstandort Leipzig bleiben erhalten. Bei der Investorensuche unterstützten McDermott Will & Emery und die Investmentbank Macquarie Capitel den Verwalter RA Prof. Dr. Lucas Flöther (Flöther & Wissing). Rockaway Capital unterstützten PwC und Latham & Watkins.

(…)

Editorial | Peter Reuter, Chefredakteur; Heinz Schmidt, Geschäftsführer | INDat Report 09_2017 | Dezember 2017

Rennen im Rahmen

Wenn ein Thema das zurückliegende Jahr beherrscht hat, dann war es der präventive Restrukturierungsrahmen. Derzeit finden eher hinter den Kulissen in den Zirkeln des Rates Verhandlungen statt, während das EU-Parlament eher öffentlich über etwa
400 aus ihren Reihen eingebrachte Änderungsanträge zum RLE debattiert. Das mündet im kommenden Jahr in den Triloggesprächen zwischen Kommission, EU-Parlament und Rat.
Flexibilität bei der nationalen Ausgestaltung und größtmög­liche Harmonisierung sind die beiden Pole, zwischen denen gerungen wird. Ausgeprägte Harmonisierungsvisionen stoßen häufig an nationale Grenzen, ein zu hoher Grad nationaler Flexibilität kann das Rennen um das attraktivste präventive Sanierungstool in Europa auslösen.
Unabhängig davon, wie der Kompromiss aussieht, wirft ein hierzulande (noch) unbekanntes präventives Werkzeug einen Schatten auf das Insolvenzrecht. Das ESUG hat es nach fünf Jahren geschafft, das Insolvenzrecht bis auf einige Ausnahmen in ein gutes Licht zu rücken. Auch wenn kein Konkurrenzverfahren entsteht, könnten Schutzschirm & Co. wieder in das Insolvenzstigma abgleiten.
Strittig ist beim RLE, wie er konkret auf (K)KMUs auszurichten ist. Derzeit klingt es eher danach, diese Umsetzung den Mitgliedstaaten zu überlassen. Die Berater denken beim RLE ohnehin lieber an die großen Fälle, die sie begleiten können. Und die Verwalter wollen es auch nur auf (große) Finanz­restrukturierungen eingegrenzt sehen.
Anzunehmen ist daher, dass das Gros der Fälle in den Händen der Insolvenzverwalter bleibt. Im Übrigen heißt, präventiv aktiv zu werden, der Krise noch frühzeitiger ins Auge zu schauen.
An dieser fehlenden Initialzündung kranken doch heute schon die Rettungschancen, sodass man einen Ansturm der (K)KMUs auf ein neues Tool wohl nicht erwarten kann. Der Markt kann sich ohnehin schnell drehen: Wenn die EZB
an der bis zum Anschlag zurückgedrehten Zinsschraube rüttelt, auch nur ein wenig, rutschen einige Unternehmen durch wachsende Fremdkapitalkosten in die Schieflage. Von Vollbeschäftigung der Verwalterbranche wird man dann aber noch nicht sprechen können.
Stimmt nicht, werden Sie denken, es gab doch im zurückliegenden Jahr noch viel mehr als nur den präventiven Restrukturierungsrahmen. Sie haben recht – der Titel »Jahresrückblick 2017« versucht, dem ein Stück weit gerecht zu werden.
An diese Stelle und zu diesem Zeitpunkt wie alle Jahre wieder: Mit den besten Wünschen für den Ausklang des alten und den Einstand ins neue Jahr.

Austria | INDat Report | Dezember 2017

Erst fruchtlos, dann bis zur letzten Minute

Wien. Auf dem 24. Insolvenz-Forum Grundlsee vom 16. bis 18.11.2017, dessen wissenschaftlicher Leiter Prof. Dr. Andreas
Konecny ist, das die Karner & Dechow Industrieaktionen GmbH veranstaltet und jährlich etwa 200 Teilnehmer begrüßt,
referierten Hon.-Prof. Dr. Franz Mohr (Bundesministerium für Justiz), RA Dr. Stephan Riel (Jaksch Schoeller Riel) und
Priv.-Doz. Dr. Birgit Schneider (Universität Wien) zu den jüngsten Änderungen im Insolvenzrecht (IRÄG 2017). Diese
beinhalten einige interessante Neuerungen im Privatkonkurs, bei der Vergütung des Verwalters und Anpassungen an die
EuInsVO 2015. Dr. Birgit Schneider und Dr. Stephan Riel fassen ihren Vortrag zum IRÄG 2017 zusammen.

Mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG) 20171 hat der
österreichische Gesetzgeber die bereits Ende der 1970er-Jahre
begonnene schrittweise Erneuerung des österreichischen Insolvenzrechts
fortgesetzt. Die Novelle bringt einerseits Anpassungsvorschriften
zur EuInsVO 2015 und einige punktuelle Regelungen
im Unternehmensinsolvenzrecht, darunter eine Erhöhung der
Mindestentlohnung für Insolvenzverwalter. Andererseits kam es
zu einer wesentlichen Änderung im Bereich des sog. Privatkonkurses,
der dem Verbraucherinsolvenzverfahren des deutschen
Rechts entspricht. Während der erste Normenbereich
eher »technischer Natur« ist, waren die Änderungen betreffend
die Entschuldung nat. Personen Gegenstand einer langen und
lange fruchtlosen, dann heftig und »bis zur letzten Minute« geführten
rechtspolitischen Diskussion, die erst zu einem Zeitpunkt
abgeschlossen wurde, in dem das (vorzeitige) Ende der letzten
Legislaturperiode bereits feststand.

Abschöpfungsverfahren verzichtet auf eine Quote

Das grundsätzliche System der Restschuldbefreiung für nat.
Personen2 bleibt nach dem IRÄG 2017 aufrecht:3 Zunächst hat der
Schuldner einen Zahlungsplan vorzuschlagen, über den die Insolvenzgläubiger
im eröffneten Verfahren abstimmen. Ein außergerichtlicher
Ausgleichsversuch, der bislang als Voraussetzung für
die Eröffnung ohne kostendeckendes Vermögen notwendig war, ist
nicht mehr erforderlich. Im Zahlungsplan hat der Schuldner eine
Quote anzubieten, die seiner Einkommenslage in den nächsten fünf Jahren entspricht; die Zahlungsfrist darf höchstens sieben
Jahre betragen. Neu ist eine Erleichterung für einkommenslose
bzw. -schwache Schuldner: Diese brauchen künftig keine Zahlungen
anzubieten (§ 194 Abs. 1 S. 3 IO); ein Nullplan wird daher
ausdrücklich für zulässig erklärt. Mit rechtskräftiger Bestätigung
des Plans wird das Insolvenzverfahren aufgehoben. Die
Erfüllung obliegt dem Schuldner.
Wird der Zahlungsplan von den Insolvenzgläubigern nicht angenommen,
hat der Schuldner die Möglichkeit, im Abschöpfungsverfahren,
das starke Ähnlichkeiten mit dem deutschen
Restschuldbefreiungsverfahren aufweist, auch gegen den Willen
der Gläubiger eine Restschuldbefreiung zu erhalten. Das Abschöpfungsverfahren
schließt an das Insolvenzverfahren an; das
pfändbare Einkommen wird von einem Treuhänder eingezogen und
an die Gläubiger verteilt. In diesem Bereich bringt das IRÄG 2017
die größten Änderungen, denn erstens wird die Dauer des Abschöpfungsverfahrens
von sieben auf fünf Jahre verkürzt – man
diskutierte auch eine Verkürzung auf drei Jahre – und zweitens
ist die Restschuldbefreiung nicht mehr von einer Mindestquote (bisher i. d. R. 10 %) abhängig (§ 213 IO). Sofern der Schuldner
seine Obliegenheiten erfüllt, erhält er nach fünf Jahren zwingend
die Restschuldbefreiung.
Gegen die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens können von
Insolvenzgläubigern Einleitungshindernisse vorgebracht werden.
Diese wurden durch das IRÄG 2017 erweitert: Der Schuldner hat
bereits während des Insolvenzverfahrens einer angemessenen Erwerbstätigkeit
nachzugehen bzw. sich um eine solche zu bemühen,
wenn er ohne Beschäftigung ist (§ 201 Abs. 1 Z. 2 a IO). Dabei ist
ein strenger Maßstab anzulegen. Nur eine vorsätzliche oder grob
fahrlässige Verletzung der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist ein
Einleitungshindernis. Und das auch nur, wenn es zu einer Beeinträchtigung
der Befriedigung der Insolvenzgläubiger kommt.
Ein weiteres Einleitungshindernis betrifft Geschäftsführer:
Wenn diese im Insolvenzverfahren über das Vermögen der jur.
Person oder Personengesellschaft ihre insolvenzspezifischen
Mitwirkungs- oder Auskunftspflichten verletzt haben, kann das
die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens in ihrem »privaten
« Insolvenzverfahren hindern (§ 201 Abs. 1 Z. 2 b IO).
Während des Abschöpfungsverfahrens hat der Schuldner Obliegenheiten,
deren Verletzung zu einer vorzeitigen Einstellung
des Abschöpfungsverfahrens und einer Versagung der Restschuldbefreiung
führen kann. Seit dem IRÄG 2017 treffen den
Schuldner erhöhte Auskunftspflichten. Wenn er keine angemessene
Erwerbstätigkeit ausübt, hat er zu vom Gericht festgelegten
Zeitpunkten, mindestens einmal jährlich, Auskunft über
seine Bemühungen um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu
erteilen, andernfalls droht die vorzeitige Einstellung des Abschöpfungsverfahrens
(§ 210 Abs. 1 Z. 5 a IO).

In den Übergangsbestimmungen wird auch jenen Schuldnern
die Möglichkeit eingeräumt, von der Abschaffung der Mindestquote
zu profitieren, die sich bereits im Abschöpfungsverfahren
befinden. Sie können einen Antrag stellen, dass ihnen (nach
Ablauf der ursprünglichen Abtretungserklärung bzw. nach fünf
Jahren seit Inkrafttreten des IRÄG 2017) die Restschuldbefreiung
ohne Mindestquote gewährt wird.

Österreich geht andere Wege beim Konzerninsolvenzrecht

Ausgangspunkt der Änderungen im Unternehmensinsolvenzrecht
war – wie erwähnt – die EuInsVO 2015. In diesem Zusammenhang
wurde insbesondere das Verfahren zur Abstimmung über
eine Zusicherung gem. Art. 36 ff. EuInsVO 2015 näher geregelt.
Das für die Eröffnung des (österreichischen) Sekundärinsolvenzverfahrens
zuständige Gericht hat dazu eine Tagsatzung anzuordnen
und kann zur Prüfung der Forderungen der lokalen Gläubiger
einen besonderen Verwalter bestellen (§ 220 d, § 220 f IO). Ein
deutscher Hauptinsolvenzverwalter, der ein österreichisches
Sekundärinsolvenzverfahren durch eine Zusicherung vermeiden
möchte, muss sich daher an das österreichische Insolvenzgericht
wenden und diesem neben der Zusicherung eine Liste der bekannten
lokalen Gläubiger vorlegen, wobei er anzugeben hat, ob deren
Forderungen angemeldet, geprüft, anerkannt oder bestritten wurden
(§ 220 d Abs. 3 IO). Bemerkenswert ist, dass der Insolvenz-
Entgelt-Fond (die Sicherungseinrichtung für Arbeitnehmer) ex
lege als lokaler Gläubiger gilt (§ 220 c Abs. 2 IO) und dass das österreichische Gericht vom Hauptinsolvenzverwalter einen Kostenvorschuss
verlangen kann (§ 220 f IO). Die Zusicherung muss
mit den nach österreichischem Recht nötigen Mehrheiten nach
Köpfen und Summen angenommen werden und bedarf gem.
§ 220 g Abs. 1 IO der gerichtlichen Bestätigung, was bedeutet,
dass sich das österreichische Gericht auch über den übereinstimmenden
Willen des Hauptinsolvenzverwalters und der
Mehrheit der lokalen Gläubiger hinwegsetzen kann, wenn z. B.
eine Sonderbegünstigung erfolgte oder die Zusicherung dem
gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht
(§ 153 Z. 3 bzw. § 154 Z. 1 IO i. V. m. § 220 c IO).

Auch was das durch Kapitel V der EuInsVO 2015 in den Mittelpunkt
des Interesses gerückte sog. »Konzerninsolvenzrecht«
betrifft, ging der österreichische Gesetzgeber etwas andere
Wege als der deutsche: § 180 b IO ordnet nämlich schlicht an,
dass die Regeln über die Zusammenarbeit und Kommunikation
sowie die Regeln über die Koordinierung, also die Art. 56–77
EuInsVO 2015, auch in Binnenfällen anwendbar sind.4 Das hochkomplexe
Regelwerk des Kapitel V EuInsVO 2015 ist daher in
4 Dazu Riel, Das Konzerninsolvenzrecht des IRÄG 2017, ZIK 2017/109, 91.
Österreich auch in kleinen und kleinsten Fällen anwendbar; erfasst
sind wohl sogar die Insolvenzverfahren über das Vermögen
einer Ein-Mann-GmbH und über das Vermögen von deren (unternehmerisch
tätigen) Alleingesellschafter/Geschäftsführer. Umgekehrt
gibt es keine inhaltlich über die EuInsVO 2015 hinausgehenden
Normen, insbesondere keinen österreichischen Konzern-
gerichtsstand. Deutsche Verwalter mit mehreren insolventen Beteiligungen
in Österreich können also zwar mit Kommunikation
und Kooperation, nicht aber mit einem einzigen Verwalter als
Ansprechpartner rechnen.
Schließlich entsprach der Gesetzgeber des IRÄG 2017 einer
langjährigen Forderung der Insolvenzverwalter nach Erhöhung der
Mindestentlohnung, die nunmehr mit 3000 Euro festgesetzt wurde
(§§ 82, 82 a IO).5 Das im Verhältnis zum deutschen Entlohnungsrecht
deutlich »billigere« österreichische Entlohnungsrecht
ist damit zumindest für die kleinsten Verfahren aus Verwaltersicht
etwas »verbessert« worden. Hinzuweisen ist darauf, dass diese
Regelung nur für Unternehmensinsolvenzverfahren gilt und die
Insolvenzverfahren über das Vermögen nicht unternehmerisch tätiger
nat. Personen in Österreich in der Regel ohne Insolvenzverwalter
abgewickelt werden.

Ausblick auf das kommende Jahr

Noch ist nicht bekannt, ob und welche rechtspolitischen Vorstellungen
die nächste Bundesregierung im Bereich des Insolvenzrechts
hat, ob also etwa wieder darüber nachgedacht wird,
wie »Akkordstörer« ausgeschaltet werden könnten.6 Absehbar
ist jedenfalls, dass die derzeit im Entwurf vorliegende Richtlinie
zu präventiven Restrukturierungsrahmen, die möglicherweise
unter österreichischer Präsidentschaft im zweiten Halbjahr
2018 endverhandelt wird, Auswirkungen auch auf das österreichische
Insolvenzrecht haben wird.

Inhaltsverzeichnis

3
Editorial
 
6
Namen & Nachrichten
 
7
INDat Barometer I
 
8
Namen & Nachrichten
 
 
10
Titel
Jahresrückblick auf 2017
Ereignisse, Entwicklungen, Entscheidungen
27
Verleihungen & Preise
Festschrift für Dr. Klaus Wimmer
Viel mehr als nur BT-Drs. angefüllt
28
Verwalter & Kanzleien
RA Dr. Moritz Sponagel (Dr. Sponagel Rechtsanwälte)
Erklärter Gegner der Abweisung mangels Masse
32
Schwerpunkt: Präventiver Restrukturierungsrahmen
 
Die Niederländer auf der Überholspur
36
Symposien & Vorträge
Dritter deutsch-französischer Sanierungsgipfel in Paris
Gemeinsam in Brüssel stark
38
 
Symposium des Hamburger Kreises und der Universität Leipzig
Auf der langen Suche nach dem goldenen Weg
40
Kongresse & Tagungen
11. TMA-Jahrestagung in Frankfurt am Main
Mit stockenden Motoren rollt Arbeit auf die Branche zu
44
 
Jahrestagung des BAKinso e. V.
Brüssel erhöht Arbeit und Anforderungen
48
 
Deutscher Insolvenzverwalterkongress in Berlin
Beunruhigende Einladungen nach Amsterdam und Singapur
62
 
24. Insolvenzforum Grundlsee
Erst fruchtlos, dann bis zur letzten Minute
65
Schwerpunkt: ESUG-Evaluation
 
Obstruktionsverbot als ESUG-Verhandlungsdruckmittel – ein Praxisbericht
70
INDat Statistik
Top 30 Verwalter, Top 30 Kanzleien, Top 10 Gerichte
 
71
INDat Barometer II
 
 
74
Veranstaltungen, Anzeigenübersicht, Impressum