24. August 2023. München. Nach einem deutlichen Rückgang zu Jahresbeginn sind die Insolvenzen von Großunternehmen im zweiten Quartal 2023 gegenüber dem Vorquartal um 37 Prozent gestiegen. Insgesamt registrierten die Insolvenzgerichte 37 Anträge. Im Vergleich zum Vorjahresquartal haben sich die Großinsolvenzen fast verdoppelt. Im zweiten Quartal 2022 mussten lediglich 19 Unternehmen den Gang zum Amtsgericht antreten, so der Insolvenzreport der Unternehmensberatung Falkensteg. Als Großinsolvenzen zählt der Insolvenzreport Verfahren von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro.
„Mit 37 Anträgen liegt die Zahl nun um mehr als ein Drittel höher als in den Quartalen vor der Pandemie. Inflation, Kaufzurückhaltung, hohe Energiepreise und steigende Finanzierungskosten machen den Unternehmen zunehmend zu schaffen und lassen sich kaum noch kompensieren. Zudem gibt es noch einen Nachholeffekt aufgrund der umfangreichen staatlichen Hilfen in den vergangenen zwei Jahren, die inzwischen ausgelaufen sind und viele Unternehmen am Leben hielten“, erklärt Studienautor und Falkensteg-Partner Jonas Eckhardt.
Vermehrt umsatzstarke Unternehmen betroffen
Ungewöhnlich hoch liegt die Zahl bei den Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro. Zwölf Unternehmensinsolvenzen bedeuten ein Plus von 140 Prozent gegenüber den Monaten Januar bis März. Nur im zweiten Quartal 2020 gab es in den vergangenen fünf Jahren mit 22 Fällen mehr Insolvenzen in dieser Umsatzklasse.
Mit dem Anstieg folgen nun auch die Großinsolvenzen der Entwicklung in der Gesamtwirtschaft. Mit 3.506 Unternehmensinsolvenzen in den Monaten April bis Juni zeigt der Trend mit einem Plus von einem Prozent zum fünften Mal in Folge weiter nach oben. Im Vergleich zum Vorjahresquartal beträgt der Anstieg sogar 27,3 Prozent.
Cash Conversion Cycle rückt in den Fokus
Die prognostizierte Eintrübung der Wirtschaftsdaten sollte Unternehmer jetzt dazu veranlassen, erstens die Unternehmenskosten an die zu erwartenden Umsätze anzupassen und zweitens die Kapitalbindung über den Cash Conversion Cycle (CCC) bzw. die Geldumschlagsdauer gering zu halten. Die Dauer des CCC beginnt mit der Bezahlung der Materialbeschaffung, setzt sich über die Produktionszeit, die Lagerung sowie die Auslieferung fort und endet mit dem Ausgleich der Kundenrechnung für einen Auftrag oder ein Produkt.
„Die Kunden zahlen vermehrt später. Noch vor einem Jahr war die Verlängerung des Zahlungsziels aus der Sicht der Kapitalbindung kaum ein Problem. Angesichts der aktuellen Zinserhöhungen sollten Unternehmenslenker die Finanzierungskosten jedoch stärker in den Blick nehmen und die Wertschöpfungsprozesse regelmäßig auch hinsichtlich der Durchlaufzeit optimieren. Damit werden gleichzeitig weitere Kennzahlen wie das Working Capital, der operative Cashflow und das Rating positiv beeinflusst“, rät Jonas Eckhardt.
Weiter mehr Neustarts insolventer Unternehmen
Weiter aufwärts ging im zweiten Quartal 2023 die Zahl der Verfahrensausgänge. In 28 Insolvenzverfahren gab es eine Entscheidung für eine nachhaltige Fortführung oder Betriebseinstellung. Ein Plus von sieben Prozent gegenüber dem ersten Quartal, in dem bereits 26 Verfahrenslösungen gefunden wurden. 75 Prozent der Entscheidungen (21 Fälle) zwischen April und Juni waren erfolgreich und die Unternehmen können nach der Insolvenz fortgeführt werden. Davon wurden 17 im Rahmen eines Asset Deals von einem Investor übernommen. Bei vier Unternehmen gaben die Gläubiger grünes Licht für die Sanierung über einen Insolvenzplan. Für rund ein Viertel besteht nur noch geringe Hoffnung. Fünf Unternehmen mussten den Geschäftsbetrieb einstellen und bei zwei Firmen wurde Masseunzulänglichkeit angezeigt.
„Die Zahl der Asset Deals wird in Zukunft zurückgehen. Der M&A-Markt zeigt in diesem Jahr eine deutliche Zurückhaltung der Investoren und selbst risikoaffine Finanzinvestoren finanzieren eher Carve-Out-Projekte als Unternehmen in Sondersituationen“, weiß Eckhardt. Gerade das stark gestiegene Zinsniveau, die unsichere Wirtschaftslage oder das Branchenumfeld selbst erschweren die Refinanzierung einer Transaktion von Risikounternehmen.
Kurt Zech (Zech Group): Die Talsohle im Bau ist noch lange nicht erreicht
Eine Insolvenzwelle in der Baubranche befürchtet Kurt Zech, Vorstandsvorsitzender der Zech Group, im Interview mit dem Insolvenzreport, da viele Projektentwickler derzeit kaum Umsatz machen würden. Bei zu geringer Kapitaldecke werden diese Firmen entweder vom Markt verschwinden oder in andere Hände übergehen.
„Die Frage ist aber: Was passiert mit den Projekten, die auf den Markt kommen? Gibt es überhaupt eine generelle Kaufbereitschaft? Und wenn ja, zu welchen Konditionen? Die Banken halten sich bei Neugeschäften sehr zurück. Und auf der anderen Seite rechnen sich viele Objekte nicht mehr“, so Kurt Zech.