- Waschmittelhersteller Thurn Germany Gruppe steht vor dem Aus
- Das kommunale Unternehmen (gKU) verweigert Investor den notwendigen Mietvertrag
- 150 Arbeitsplätze in Neunkirchen-Seelscheid und 25 Arbeitsplätze in Kerkrade verloren
- Investor wollte alle Arbeitsplätze erhalten und setzte auf nachhaltige Geschäftsentwicklung
Neunkirchen-Seelscheid, 22.09.2021. Bittere Nachrichten für die Thurn Germany Gruppe und deren Mitarbeiter. Trotz der unterschriftsreifen Einigung mit einem namhaften internationalen Investor ist die Übernahme und damit der Erhalt der Thurn Germany Gruppe im letzten Moment gescheitert. Grund ist die Ablehnung eines langfristigen Mietvertrags mit dem Investor seitens der gKU, einer kommunalen Tochtergesellschaft der Gemeinden Neunkirchen-Seelscheid und Much. Der Waschmittelhersteller Thurn Germany hat das Grundstück mit seiner Betriebsstätte gemietet. Der Abschluss des Kaufvertrages mit dem Investor setzt einen neuen Mietvertrag voraus. Die Ablehnung des Mietvertrags bedeutet nun unweigerlich die Betriebsstilllegung und den Verlust von 150 Arbeitsplätzen allein am Hauptsitz von Thurn in Neunkirchen-Seelscheid und weiteren 25 Arbeitsplätzen im niederländischen Kerkrade.
Positionen der Gemeinden nicht nachvollziehbar
„Diese Entwicklung ist ein herber Schlag. Wir hatten nach intensiven Verhandlungen einen ideal zum Unternehmen passenden, finanzstarken Erwerber gefunden, der die Zukunft des Unternehmens auch zum Wohle der Region gesichert hätte. Nun ist der Verkauf kurz vor dem Ziel gescheitert, weil die Planungen der Gemeinden und die Langfristigkeit der Investorenpläne nicht in Einklang gebracht werden konnten“, sagt Insolvenzverwalter Dr. Jens Schmidt von der Kanzlei RUNKEL Rechtsanwälte. Mitarbeiterproteste haben noch am Dienstag die Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid aufgerüttelt. Hinter den Kulissen fanden zahlreiche Gespräche mit Politikern auf kommunaler -, Landes- und Bundesebene statt. Doch konnten offenbar auch diese Aktionen die Entscheider nicht zum Einlenken bewegen.
Wut und Tränen bei den Beschäftigten
„Diese Situation ist für mich neu. Üblicherweise muss ich internationale Investoren überzeugen, deutsche Standorte zu halten und nicht das Personal zu reduzieren. Bei Thurn ist es anders: Ein Verhandlungserfolg im Ausland und das Scheitern in der Heimat. Das darf nicht passieren. Ich bin fassungslos angesichts der Prioritäten der Gemeindevertreter gegenüber den Beschäftigten, die nun ihren Arbeitsplatz verlieren werden“, sagt Schmidt und verweist auf das große Engagement und den leidenschaftlichen wie auch tränenreichen Kampf aller Mitarbeiter für „ihr“ Unternehmen. „Ich verstehe nicht, warum mein Arbeitsplatz den Gemeindevertretern scheinbar gleichgültig ist. Mein Mann und ich arbeiten schon lange bei Thurn und leben mit unserer Familie in Neunkirchen-Seelscheid. Wir haben jetzt Angst vor der Arbeitslosigkeit und dass wir alles verlieren, was wir aufgebaut haben“, sagt Mitarbeiterin Ivonne Hanini.
Chance eines Kompromisses vertan
Insolvenzverwalter Schmidt und Geschäftsführer Schoof waren bis zuletzt gesprächsbereit, zumal es durch Zugeständnisse des Investors auch realistische und umsetzbare Kompromisse gegeben hätte. Sowohl der Investor als auch der Insolvenzverwalter hatten mehrere verschiedene Lösungsvarianten erarbeitet. So sah ein Kompromiss die Lösung vor, nicht von Thurn benötigte Flächen – immerhin in Summe 75.000 qm – an die Gemeinden zu überlassen. Die gKU hätte diese Flächen als Gewerbegebiete erschließen und den lokalen Gewerbetreibenden kurzfristig anbieten können. Gleichzeitig hätte Thurn weiter wie bisher produzieren und alle Arbeitsplätze erhalten können. Auch finanziell wäre diese Lösung für die Gemeinden ideal gewesen. Denn diese hätten über Jahre hinweg erhebliche Miet- und Steuereinnahmen von Thurn erhalten und gleichzeitig sukzessive das Gewerbegebiet für die örtliche Wirtschaft weiterentwickeln und aufbauen können.
Noch am Montagabend hatten der Insolvenzverwalter und der Investor mit der Bürgermeisterin von Neunkirchen-Seelscheid, Nicole Berka (SPD), dem Bürgermeister von Much, Norbert Büscher (CDU) und dem Geschäftsführer der gKU, Johannes Hagen, eine Einigung versucht. Am Ende stand dem 15-jährigen Mietwunsch des Investors ein maximal dreijähriger Mietvertrag als Angebot gegenüber. Für den Investor, der in Neunkirchen-Seelscheid Millionenbeträge investieren wollte, war das völlig inakzeptabel, sodass er sein Angebot für die Übernahme zurückzog.
Massenentlassungen und Produktionsstopp unausweichlich
„Es scheint für mich so, als ob die Gemeindevertreter alles versucht hätten, um den Investor zu verhindern. Dieser Umgang mit einem solventen strategischen Investor vernichtet Industriearbeitsplätze und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Wie die Gemeinden mit einer alternativen Nutzung des Thurn Geländes den Verlust von 150 Jobs kompensieren wollen, bleibt mir ein Rätsel“, zeigt sich Thurn Geschäftsführer Peter Schoof verständnislos. Zweimal hätten die verantwortlichen Kommunalpolitiker dem Investor eine Absage erteilt. Beim dritten und letzten Gespräch führte die unnachgiebige und kompromisslose Haltung der Gemeinden zum endgültigen Scheitern der Verhandlungen. Schon in der nächsten Woche ist der Insolvenzverwalter gezwungen, den Mitarbeitern zu kündigen und die geordnete Betriebsstilllegung einzuleiten.
„Man kann viel ertragen, wenn man das Warum versteht. Der bloße Hinweis auf Flächenbedarf für Kleingewerbetreibende genügt nicht. So aber fällt die Güterabwägung der handelnden Politiker aus. Zugunsten von nicht ansatzweise konkreten Planungen werden Arbeitsplätze vernichtet“, sagt Insolvenzverwalter Schmidt und kann seine Enttäuschung nicht verbergen. „Das ist ein ganz bitterer Tag für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Thurn und deren Familien. Auch für die Menschen in der Region hätte ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht.“
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Über die Thurn Gruppe
Die Thurn Gruppe mit ihren drei Standorten in Neunkirchen-Seelscheid, Genthin (Sachsen-Anhalt) und Kerkrade (Niederlande) produzieren und verpacken Flüssigwaschmittel, Waschmittel in Pulverform, Geschirrreiniger-Tabs, Handgeschirrspülmittel und Anti-Kalk-Tabs. Zu den Kunden gehören unter anderem Discounter und große Einzelhandelsunternehmen, die die Produkte als bekannte Eigenmarken an die Endverbraucher verkaufen.
Weitere Informationen unter: www.thurn-group.com
Über Rechtsanwalt Dr. Jens M. Schmidt | RUNKEL Rechtsanwälte
Dr. Jens M. Schmidt, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Mediator, ist Partner der Sozietät RUNKEL Rechtsanwälte. Die Wuppertaler Kanzlei besteht seit über 80 Jahren und ist schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Sanierungs- und Insolvenzberatung tätig. Neben dem Hauptsitz in Wuppertal sind RUNKEL Rechtsanwälte auch mit Büros in Düsseldorf und Köln vertreten. Rechtsanwalt Dr. Schmidt wird von den Gerichten regelmäßig als Insolvenzverwalter bestellt. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen – neben der Insolvenzverwaltung – auch die Sanierungsberatung und Vertretung von Unternehmen und Organen in der Krise und Restrukturierung. Darüber hinaus ist er Mitglied im Gravenbrucher Kreis und Beiratsmitglied des VID.
Weitere Informationen unter: www.runkel-anwaelte.de