Moers, 3. Juni 2025. Das zuständige Insolvenzgericht hat am 1. Juni 2025 erwartungsgemäß das Insolvenzverfahren über das Vermögen des AWO Kreisverband Wesel e.V. („AWO Wesel“) eröffnet. Dabei wurde die Eigenverwaltung durch das Gericht bestätigt, womit der Vorstand weiterhin im vollen Umfang handlungs- und weisungsbefugt bleibt.
Der Geschäftsbetrieb läuft seit Anordnung der Sicherungsmaßnahmen stabil. Ab sofort wird die AWO Wesel Löhne und Gehälter der rund 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder direkt zahlen – hierfür stehen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung. „Wir sind zufrieden mit dem bisherigen Fortschritt des Verfahrens. Die Entscheidung des Gerichts bestätigt den von uns eingeschlagenen Weg“, sagt Jochen Gottke, Vorstandsvorsitzender des Kreisverbands.
Er hat in den vergangenen Wochen zusammen mit seinen Vorstandskollegen intensive Gespräche geführt und das Portfolio des Kreisverbands in enger Abstimmung mit den Sanierungsexperten von der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH unter der Leitung von Rechtsanwalt Roman-Knut Seger umfassend auf den Prüfstand gestellt. Auch wenn noch Verhandlungen mit den verschiedenen Beteiligten laufen, ist es nun möglich, erste Maßnahmen und Ergebnisse aus dem Verfahren zu präsentieren.
Im Ergebnis der Überprüfungen steht fest, dass der überwiegende Teil der Einrichtungen und Leistungen der AWO Wesel fortgeführt wird. „Das ist eine positive Nachricht – und ein klares Signal an alle Mitarbeitenden, Partner und Menschen im Kreis, die unsere Angebote in Anspruch nehmen“, so Gottke.
Erforderliche Maßnahmen umgesetzt
Im Zuge der Sanierungsplanung wurden in der gesamten Organisation Einsparpotentiale identifiziert, die teilweise bereits erfolgreich umgesetzt werden konnten. Weitere Maßnahmen werden sukzessive angegangen. Gleichzeitig sollen im Besitz der AWO Wesel stehende Immobilien verkauft werden bzw. befinden sich im Verkaufsprozess, was zusätzliche Liquidität für eine Vergleichslösungen mit den Insolvenzgläubigern bringen soll.
Leider können aus wirtschaftlichen Gründen die Trägerschaften bzw. der Betrieb verschiedener Einrichtungen nicht weitergeführt werden: So wurde bereits vor Einleitung des Sanierungsverfahrens unter anderem der Ambulante Pflegedienst in Moers aufgegeben und die Schließung des sozialfreundlichen Frisiersalon HAIRlich in Neukirchen-Vluyn beschlossen. Auch die Aufgabe der Mobilen und Ambulanten Pflege in Wesel sowie der psychosozialen Beratung und Betreuung ist ein erforderlicher Baustein im Sanierungskonzept. Gespräche dazu werden geführt.
Willy-Brandt-Haus wird abgegeben
Für das Seniorenzentrum Willy-Brandt-Haus in Moers ist nach eingehender Prüfung klar, dass es nicht von der AWO Wesel weitergeführt werden kann. Es werden nunmehr gezielte Gespräche mit potenziellen Übernehmern aufgenommen, die das Haus gemeinsam mit den Bewohnern und Mitarbeitenden weiterführen möchten. Ergebnisse aus dem Prozess werden in den kommenden Monaten erwartet.
AWO Wesel bleibt verlässlicher Partner in der Freien Wohlfahrtspflege
In den vergangenen Wochen ist der Kreisverband damit einen sehr guten Schritt vorangekommen, auch wenn die Bemühungen nach außen hin nicht immer sichtbar waren. „Unser besonderer Dank gilt allen Mitarbeitenden sowie den Beteiligten im Verfahren, die diesen Prozess mit großem Engagement und Vertrauen begleiten. Ohne ihren enormen Einsatz und Verlässlichkeit wäre dies nicht möglich gewesen. Damit bleiben wir ein verlässlicher Arbeitgeber und Partner in der Freien Wohlfahrtspflege für die Menschen in unserem Kreis“, sagt Jochen Gottke.
Gläubigerabstimmung Ende August 2025
Wesentliche Maßnahmen der Sanierung sind damit in enger Abstimmung mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss angestoßen oder bereits umgesetzt. Die Gläubiger haben Ende August 2025 dann die Gelegenheit, über einen von der AWO Wesel vorzulegenden Sanierungsplan abzustimmen und damit den Weg für eine erfolgreiche Neuausrichtung des Unternehmens und die Aufhebung des Verfahrens freizumachen.
„Wir begleiten das Verfahren von Beginn an in enger Abstimmung mit den Verantwortlichen der AWO Wesel. Alle Schritte werden gemeinsam und transparent entwickelt. Ich unterstütze den eingeschlagenen Kurs weiterhin ausdrücklich im Sinne der Gläubiger“, sagt der vom Gericht bestellte Sachwalter, Rechtsanwalt Dr. Markus Kier von der Kanzlei Piepenburg Rechtsanwälte.
Hintergrund:
Der AWO Kreisverband Wesel e.V. hat Anfang April 2025 ein Eigenverwaltungsverfahren gestartet, um dringend erforderliche Sanierungsmaßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen. Der Kreisverband geht diesen Weg, weil es trotz großer Anstrengungen in den vergangenen Jahren nicht gelungen war, die wirtschaftlichen Altlasten beispielsweise aus dem ambulanten Pflegebereich aufzufangen. Hinzu gekommen sind deutliche gesetzliche Verschlechterungen bei der Finanzierung der Investitionen im stationären Pflegebereich. Die finanziellen und vor allem personellen Folgen der Corona-Pandemie im wichtigen Kernbereich Seniorenpflege hatten die Situation weiter verschärft.
Weitere Informationen:
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland. Auf der Grundlage ihrer unverrückbaren Grundwerte von Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit hat die AWO seit ihrer Gründung 1919 jene Menschen im Blick, die aus unterschiedlichen Gründen zu den sozial Schwachen der Gesellschaft gehören. Die AWO setzt sich ein für benachteiligte Kinder und Erwachsene, Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationshintergrund, Wohnungslose, Beschäftigungslose oder Kranke. Der Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt Wesel e.V. bietet in über 100 Einrichtungen und Projekten kreisweit ein breites Spektrum an Dienstleistungen und Hilfen in unterschiedlicher Form und von hoher Qualität an. 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten über 5.000 Menschen jeden Alters im Kreisgebiet ein breites Spektrum an Dienstleistungen und Hilfen in allen Lebenslagen und unterschiedlichster Form mit zertifizierter ISO-Qualität an. Internet: www.awo-kv-wesel.de
Das Eigenverwaltungsverfahren betrifft ausschließlich den AWO Kreisverband Wesel e.V. Alle anderen Organisationen der Arbeiterwohlfahrt, wie Tochtergesellschaften, Ortsvereine und Kreisverbände, andere Kreis- und Bezirksverbände in NRW und der Bundesverband sind ausdrücklich nicht betroffen.