Versicherung/Fintech: vorläufiger Insolvenzverwalter will „Wechselgott“ retten

  • Amtsgericht München ordnet vorläufiges Insolvenzverfahren an und bestellt Rechtsanwalt Rolf Pohlmann zum vorläufigen Insolvenzverwalter
  • Investorensuche mit dem Ziel des Erhalts des Geschäftsbetriebs gestartet
  • Rückständige Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden sollen über das Insolvenzgeld vorfinanziert werden

Die Vertragswechselservice GmbH, welche den Versicherungsmanager „WechselGott“ (www.wechselgott.com) betreibt, steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Das 2018 in Leipzig gegründete Startup bietet einen automatischen Wechselservice für Versicherungen und Energieverträge sowohl Endkunden als auch Partnern, wie beispielsweise Banken und Versicherungsmaklern an. Im Unterschied zu anderen Vergleichsportalen greift die Software von WechselGott dabei auf die Transaktionsdaten des Onlineban-kings der betreffenden Kunden zu. Die Plattform von WechselGott erkennt vollautomatisiert vorhandene Versicherungen und Verträge, um sodann anhand dieser Daten mittels komplexer Algorithmen die Vertragsgrundlagen zu ermitteln und bessere Konditionen bei anderen Vertragspartnern anzubieten. Den Vertragswechsel übernimmt ebenfalls WechselGott. Auf der Plattform kann der Kunde seine Verträge anpassen, neue Versicherungen abschließen und sich beraten lassen. WechselGott verdient an Provisionen. Das Geschäftsmodell ließe sich noch skalieren, z.B. hinsichtlich Handy- oder Internetanbietern oder auch um das günstigste Fitnessstudio zu finden.

Nun hat die Vertragswechselservice GmbH Insolvenzantrag gestellt. Die vorhandenen Gelder reichen nicht mehr, um die Ende Mai fällig werdenden Löhne und Gehälter der 30 Mitarbeitenden zu bezahlen. Die Gesellschafter waren nicht mehr bereit, noch weitere Gelder nachzuschießen. Das Amtsgericht München, das für das Leipziger Unternehmen zuständig ist, weil der Mittelpunkt der geschäftlichen Aktivitäten mittlerweile in München liegt, hat Rechtsanwalt Rolf Pohlmann als vorläufigen Insolvenzverwalter eingesetzt (Beschluss vom 16.05.2023, Gz. 1500 IN 1359/23). Er will gemeinsam mit seinem Team nun die Sanierungsaussichten prüfen. „Rund acht Millionen Euro haben die Gesellschafter seit Gründung des Start Up in Wechselgott investiert, vornehmlich in die Entwicklung der Software, die derzeit noch vollumfänglich gepflegt und auch weiterentwickelt wird“, sagt Pohlmann. Insoweit wolle er sondieren, inwieweit die Software für andere Investoren oder auch Mitbewerber von Interesse sei. Nachdem das Unternehmen noch Mitte 2021 mit 28 Mio. Euro bewertet worden sei und die aktuelle Krise vor allem externe Gründe habe, sehe er „gute Chancen für eine Sanierung“.

Hintergrund der Insolvenzantragstellung ist zum einen die Energiekrise. Die-se machte das bis dahin wichtigste Geschäft von WechselGott zu Nichte. Die Vermittlung günstigerer Energieversorgungstarife war nicht mehr möglich, weil in Zeiten rasant steigender Strom- und Gaspreise kein Anbieter mehr den anderen unterbieten wollte und die Preise zu volatil waren. Das Ge-schäftskonzept von Wechselgott begann zu straucheln und die zeitlichen Pla-nungen betreffend die Gewinnrealisierung ließen sich nicht mehr einhalten. Zuletzt wurde WechselGott die veränderte Zinslandschaft zum Problem: „Die Sanierung von Startups ist aktuell generell schwierig“, bestätigt Pohlmann. Investoren stünden wieder mehr alternative Investment-Möglichkeiten zur Verfügung, so dass Investitionen in Startups an Attraktivität verloren hätten. Für WechselGott sieht der vorläufige Insolvenzverwalter dennoch Chancen. Voraussetzung sei, dass die Mitarbeiter, darunter Programmierer und Soft-ware-Entwickler, an Bord gehalten werden können. Damit diese weiterhin ihr Gehalt bekommen, will Pohlmann deren Gehälter über das Insolvenzgeld vorfinanzieren. Hierzu hat er bereits den erforderlichen Antrag bei der Arbeitsagentur gestellt.