Editorial | INDat Report 04_2023 | Mai 2023
Abnutzung der Eigenverwaltung
Die Eigenverwaltung beinhaltet stets das positive Signal an den Markt, an die Gläubiger und nicht zuletzt auch an die eigene Belegschaft, dass der Geschäftsbetrieb aufrechterhalten wird und das Unternehmen selbst zur Sanierung bereit und in der Lage ist – so schreibt es der Zusammenschluss »Forum 270« in den FAQ zur Eigenverwaltung. Das Sanierungsinstrument dient dazu, Vertrauen bei den Stakeholdern zu schaffen – das aber bekanntlich nicht überstrapaziert werden sollte.
Bei einer zeitnahen Folgeinsolvenz, der auch mit der Eigenverwaltung begegnet wird, stellen sich Fragen auch zur vorausgegangenen, in Eigenverwaltung bewältigten Insolvenz: Ist das Geschäftsmodell ausreichend angepasst worden und welche Annahmen und Prognosen liegen dieser Anpassung zugrunde? Sind wesentliche Sanierungsmaßnahmen bis zur Planbestätigung bzw. bis zur Verfahrensaufhebung umgesetzt worden? Erfolgte eine engmaschige Kontrolle der noch umzusetzenden Sanierungsmaßnahmen und wer hat
diese Aufgabe übernommen?
Wer diese Fragen in jüngerer Zeit stellt, bekommt zu hören, dass die Auswirkungen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs als exogene, nicht vorhersehbare Faktoren abgeschlossene und laufende Sanierungsmaßnahmen torpediert haben, was zur Folgeinsolvenz geführt habe. Aber lassen sich diese exogenen Ursachen stets als Hauptgrund für die erneute Insolvenz deklarieren? Werden damit nicht verschleppte oder zu lasch betriebene operative Restrukturierungsmaßnahmen kaschiert, die eigentlich mindestens Co-Treiber der Folgeinsolvenz sind?
Laut KSV von 1870, bezogen auf Österreich und das Jahr 2022, ist ein Viertel der Unternehmensinsolvenzen auf die Pandemieauswirkungen zurückzuführen, der hauptsächliche Grund für Insolvenzen bleiben weiterhin die Managementfehler, was folglich auch Sanierungsmanagementfehler im Restrukturierungsprozess beinhaltet.
Wäre es nicht ratsam, die Messlatte für eine erneute Eigenverwaltung höher anzusetzen, wenn sich die Fälle häufen, dass eine als nachhaltig deklarierte Eigensanierung innerhalb weniger Jahre wieder zum Sanierungsfall wird? Denn bei Häufung dieser Fälle bröckelt allgemein die Eigenverwaltung als vertrauensbildende Maßnahme. Und um bei den zitierten FAQ zu bleiben: Das Signal leuchtet dann wohl schwächer.
Peter Reuter, Chefredakteur
