Editorial | INDat Report 02_2024 | März 2024

Sanierungskultur 2.0

Jubiläen bieten Grund zum Feiern und geben Anlass, eine umfassende Rückschau vorzunehmen. Für beides liefert die Insolvenzordnung reichlich Stoff, denn sie kann seit Anfang dieses Jahres auf 25 Jahre Praxis verweisen. Die beliebte Titulierung »Dauerbaustelle InsO«, von der offenbar die Kritik ausgehen soll, dass es sich um ein ewig unvollendetes Gesetz handelt, erklärt hingegen den Erfolg und die Errungenschaft dieses Werks von 1999: Die gesetzlichen Regelungen wurden und werden schrittweise neuen Entwicklungen und veränderten Praxisanforderungen angepasst, zum Teil mit Blick auf konkurrierende Rechtsordnungen und auch vom europäischen Gesetzgeber zum Handeln gedrängt. Aber sind diese Schritte ausreichend?

Der Auftakt zu einer neuen Sanierungskultur ist bei der bislang größten Reform der InsO durch das ESUG im Jahr 2012 proklamiert worden. Wenn damit der Anreiz gemeint ist, durch das frühzeitige Einleiten von Sanierungsmaßnahmen mit dem Kontrollerhalt in der Eigenverwaltung belohnt zu werden, ­

geht dieser Plan nur zum Teil auf. Der verspätete Insolvenz­antrag ist weiterhin eher der Regelfall. Zu groß scheint im Wirtschaftsleben immer noch der Makel des I-Worts zu sein. Wenn nur der Begriff das Problem ist, sollte man es kreativen Praktikern nachmachen, die vom Schutzschirmhauptverfahren und vom Sanierungs­experten sprechen. Für das Insolvenzgeld ließe sich sicherlich auch eine bessere Bezeichnung finden. Kurzum: Das Insolvenzverfahren braucht einen Attraktivitätsschub.

Neben der Begriffskosmetik stehen handfeste Vorschläge auf der Agenda wie z. B. das Insolvenz-/Restrukturierungsgericht auf Augenhöhe durch qualitative und quantitative Konzentration. Auch sollten eingefahrene Strukturen nach 25 Jahren hinterfragt werden dürfen (siehe dazu Seite 40), ob es denn hierzulande wirklich das Eröffnungsverfahren braucht, denn in Österreich kommt man ohne dieses schneller zur Sache und früher zum Abschluss.

Waren »100 Jahre Konkursordnung« 1977 der Auslöser für die Reformgedanken zur InsO, so könnten 25 Jahre InsO ein Ausgangspunkt dafür sein, tabulos über neue Impulsgeber für eine breiter und tiefer verankerte Sanierungskultur nachzudenken.

Peter Reuter, Chefredakteur